“Am Strand erklingt ein eigen kalter Ton”, wenn es Herbst wird an der rauhen Nordsee. Es sind zeitlose Eingangszeilen, die mit wenigen Worten die Stimmung der letzten Tage eines Jahres einfangen – oder eines Lebens. Denn dieses Gedicht von Willrath Dreesen ist durchaus auch persönlich zu verstehen: melancholische Gedanken eines alternden Dichters.
NUN MAG ES HERBSTEN
Am Strand erklingt ein eigen kalter Ton,
Um unsre Knie zieht der Nebel schon. –
So wirds der letzte schöne Tag wohl sein,
Daß hüllenlos wir stehn im Abendschein.
Von deinen Schultern glänzt ein sanftes Rot,
Das schöner noch aus deinen Augen loht –
Nachglanz des Sommers, der hinuntersank,
Und schmerzvoll – süß ein stummes „Habe Dank!“
Der Wind wird kalt und bläst die Wellen kraus.
Du schmiegst dich an mich, deutest still nach Haus.
Nun mag es herbsten, bald auch mag es schnein –
Wir gehn in einen langen Sommer ein.
Von Willrath Dreesen,
aus „Der Eisvogel und andere Gedichte“ (posthum 1953).