Damals, auf Kinderkur an der Nordsee: Zeit der Entschuldigungen, auch in Ostfriesland

Ostfriesland Reloaded ist nach langer Winterpause wieder da! Und startet mit einem eher dunklen Kapitel in die Sommersaison 2023. Das aus aktuellem Anlass. Denn gerade schlägt eine unabhängige Studie, die die DAK-Gesundheit in Berlin vorgestellt hat, große Wellen. Es geht um die “Kinderverschickung”, mit der zig Millionen Kinder und Jugendliche von den 1950ern bis 1990er Jahren Bekanntschaft machten. Ein beliebtes Ziel waren dabei auch einige Ostfriesische Inseln, wie etwa Borkum, Langeoog oder Spiekeroog.

Guten Glaubens hatten ihre Eltern sie auf Anraten der Ärzte in eine betreute, meist mehrwöchige Kinderkur geschickt – nicht ahnend, dass ihre Kleinen einer “Subkultur von Gewalt” ausgesetzt wurden. Ja, es war sicherlich ein wenig der Zeitgeist, der bei der Kindererziehung damals etwas rauhere Maßstäbe anlegte als heute. Wo Ohrfeigen als pädagogisches Mittel in vielen Kreisen durchaus noch gesellschaftsfähig waren. Doch wo will man die Grenze ziehen? Wo ist es noch Strenge, wo ist es bereits Misshandlung? Am Besten können das wohl die Betroffenen beurteilen. Und davon gibt es nicht wenige, die lebenslange Traumata davongetragen haben.

Ihre Stimmen werden immer lauter, das Thema Kinderverschickung dringt vermehrt ins öffentliche Bewusstsein: Neben den Betroffenen-Initiativen, die öffentlichkeitswirksam seit 2019 die Stimme erheben, hat sich ein Themennetzwerk Kinderverschickung der freien Wohlfahrtsverbände gebildet – in dem sich auch die Caritas engagiert. Die Caritas, Diözese Hildesheim, hat sich auch als einer der ersten Verbände im Februar 2022 bei einer Gruppe von Betroffenen auf Langeoog für das Geschehene entschuldigt. Nun ist es der Vorstandschef der DAK-Gesundheit, der als erster Vertreter einer Krankenkasse im April 2023 öffentlich Betroffene um Entschuldigung bittet.

Davon wie von der schwierigen Spurensuche vor Ort und dem Wunsch, endlich gehört zu werden, berichtet diese Ausgabe. Wie immer wünscht Ostfriesland Reloaded

Viel Spaß beim Lesen!

Ein Gedanke zu „Damals, auf Kinderkur an der Nordsee: Zeit der Entschuldigungen, auch in Ostfriesland

  1. Wir können uns nicht entschuldigen. Weder bei den Nazi Opfern noch bei missbrauchten oder misshandelten Kindern. Das wäre zu einfach. Wir tragen diese Last und müssen sie auch ohne eigenes Verschulden aushalten.
    Es gilt, erlittenes Leid in seiner unermesslichen Dimension anzuerkennen und so dafür zu sorgen, in der Gegenwart unser Bewusstsein zu schärfen für heutiges alltäglich neu verursachtes menschliches Leid.
    Nur so kann es in nächsten Generationenen gelingen, menschliches Leid früher zu erkennen und deren Ursachen kollektiv zu verhindern.
    Nur ein neues Bewusstsein und Respekt vor unseren Mitmenschen in aller Vielfältigkeit kann zur Vermeidung von Kriegen, für deren Vergießen menschlichen Blutes es niemals auch nur einen einzigen politischen Grund geben darf und kann, dienlich sein.

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