“Am Strand erklingt ein eigen kalter Ton”, wenn es Herbst wird an der rauhen Nordsee. Es sind zeitlose Eingangszeilen, die mit wenigen Worten die Stimmung der letzten Tage eines Jahres einfangen – oder eines Lebens. Denn dieses Gedicht von Willrath Dreesen ist durchaus auch persönlich zu verstehen: melancholische Gedanken eines alternden Dichters.

NUN MAG ES HERBSTEN

Am Strand erklingt ein eigen kalter Ton,
Um unsre Knie zieht der Nebel schon. –
So wirds der letzte schöne Tag wohl sein,
Daß hüllenlos wir stehn im Abendschein.

Von deinen Schultern glänzt ein sanftes Rot,
Das schöner noch aus deinen Augen loht –
Nachglanz des Sommers, der hinuntersank,
Und schmerzvoll – süß ein stummes „Habe Dank!“

Der Wind wird kalt und bläst die Wellen kraus.
Du schmiegst dich an mich, deutest still nach Haus.
Nun mag es herbsten, bald auch mag es schnein –
Wir gehn in einen langen Sommer ein.

Von Willrath Dreesen,
aus „Der Eisvogel und andere Gedichte“ (posthum 1953).

2 Gedanken zu „November Blues von Willrath Dreesen: Nun mag es herbsten

  1. Hallo!

    In dem Gedicht von Willrath Dreesen heißt es: “Nun mag es herbsten, bald auch schneien. Wir gehen in einen langen Sommer ein”.

    Ich bin nicht sicher, ob es vielleicht ein Sinnfehler ist. Müsste es nicht heißen: “Wir gehen in einen langen Winter ein” ?

    Herzliche Grüße, Hartmut Bleß

    1. Ja, es fällt sofort auf, dass hier die chronologische Abfolge der Jahreszeiten nicht stimmig ist. Hieran erkennt man aber auch gut, dass Willrath Dreesen vor allem den (seinen) Herbst des Lebens meint. Der Sommer (auf der Insel Langeoog) wird der längste (weil ewige) sein. So kann man diese Zeile, die korrekt wiedergegeben ist, vielleicht interpretieren. # Ostfriesland Reloaded | Petra Wochnik

Kommentar verfassen