Literatur-Nobelpreis: 8 Deutsche unter 118 Preisträger:innen

Den Nobelpreisträger für Literatur ernennt die „Schwedische Akademie“, die bereits 1786 nach dem Vorbild der Académie française gegründet wurde. Die Schwedische Akademie besteht aus insgesamt 18 Mitgliedern, die auf nummerierten Stühlen Platz nehmen. Daher ist sie auch unter dem Namen De Aderton (deutsch: Die Achtzehn) bekannt. 2018 kam es nach Austritten mehrerer Jurymitglieder zu einer Krise, die die Akademie handlungsunfähig machte. Nach Änderungen der Statuten sind alle Plätze des rein schwedischen Gremiums nunmehr wieder besetzt. Der Nobelpreis für 2018 wurde zeitgleich mit der Verleihung für 2019 nachträglich vergeben.

Seit der ersten Verleihung 1901 haben insgesamt 118 Schriftsteller den Literatur-Nobelpreis erhalten. Darunter befinden sich 102 Männer (86 %) und 16 Frauen (14 %). Bisher wurde noch niemand mehrfach mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Viermal wurde der Preis zwischen zwei Personen aufgeteilt (1904, 1917, 1966 und 1974). Sieben Mal wurde er – meistens kriegsbedingt – nicht verliehen.

Es waren auch beileibe nicht immer Schriftsteller, denen ein Literaturnobelpreis verliehen wurde. So ist etwa auch der Politiker Winston Churchill unter den Literaturpreisträgern zu finden. Er erhielt 1953 die Auszeichnung „für seine Meisterschaft in der historischen und biographischen Darstellung sowie für die glänzende Redekunst, mit welcher er als Verteidiger von höchsten menschlichen Werten hervortritt“.

Die deutschen Preisträger:innen

Insgesamt acht Deutsche haben bisher den Literaturnobelpreis erhalten. Bereits 1902, im zweiten Jahr, bekam erstmals ein Deutscher die goldene Medaille der Akademie: der Historiker und Altertumswissenschaftler Theodor Mommsen. Auch der zweite Deutsche in der Reihe der Preisträger, der gebürtige Ostfriese Rudolf Eucken, war 1908 nicht Literat, sondern Philosoph und Professor mit einem Lehrstuhl in Jena. Allerdings einer, der sehr populärwissenschaftlich publizistisch wirkte, vergleichbar mit einem Richard David Precht heutiger Tage. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde mit Paul Heyse, einem heute eher unbekannten Schriftsteller aber damals viel gelesenen Novellenschreiber, und mit dem Dramatiker Gerhard Hauptmann 1910 und 1912 der Preis zum dritten und vierten Mal an eine Person mit deutscher Staatsbürgerschaft verliehen.

Mit Ausnahme von Thomas Mann in 1929, dem fünften in der Liste deutscher Preisträger, erhielt während, zwischen und lange nach den beiden Weltkriegen kein deutscher Autor mehr den Titel eines Literaturnobelpreisträgers. Erst mit Heinrich Böll ging nach vielen Jahrzehnten die ranghöchste Auszeichnung für Literatur 1972 zum sechsten Mal in der Nobelpreisgeschichte an einen deutschen Schriftsteller. Günter Grass konnte den Preis 1999 feiern, den siebten eines deutschen Autoren. Herta Müller erhielt 2009 als erste Frau den vorerst letzten, achten Literaturnobelpreis, für Deutschland.

Alle acht Genannten waren zum Zeitpunkt ihrer Auszeichnung deutsche Staatsangehörige. Dazu kommen noch zwei Namen, die zum Termin eine andere Nationalität besaßen, aber in Deutschland geboren sind: Hermann Hesse, der zur Verleihung 1946 Schweizer Staatsbürger war, aber in Calw in Baden-Würrtemberg auf die Welt kam. Die Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs war im Jahre ihrer Auszeichnung in 1966 Schwedin, doch eine gebürtige Berlinerin.

Die Begründungen der Jury im Einzelnen:

  1. Theodor Mommsen (1902): „dem gegenwärtig größten lebenden Meister der historischen Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werkes „Römische Geschichte“
  1. Rudolf Eucken (1908): „auf Grund des ernsten Suchens nach Wahrheit, der durchdringenden Gedankenkraft und des Weitblicks, der Wärme und Kraft der Darstellung, womit er in zahlreichen Arbeiten eine ideale Weltanschauung vertreten und entwickelt hat.“
  1. Paul Heyse (1910): „als Huldigungsbeweis für das vollendete und von idealer Auffassung geprägte Künstlertum, das er während einer langen und bedeutenden Wirksamkeit als Lyriker, Dramatiker, Romanschriftsteller und Dichter von weltberühmten Novellen an den Tag gelegt hat.“
  1. Gerhard Hauptmann (1912): „vornehmlich für seine reiche, vielseitige, hervorragende Wirksamkeit auf dem Gebiete der dramatischen Dichtung.“
  1. Thomas Mann (1929): „vornehmlich für seinen großen Roman „Buddenbrooks“, der im Laufe der Jahre eine immer mehr sich festigende Anerkennung als ein klassisches Werk der zeitgenössischen Literatur gewonnen hat.“
  1. Heinrich Böll (1972): „für eine Dichtung, die durch ihre Verbindung von zeitgeschichtlichem Weitblick und liebevoller Gestaltungskraft erneuernd in der deutschen Literatur gewirkt hat.“
  1. Günter Grass (1999): „weil er in munterschwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet hat.“
  1. Herta Müller (2009): „die mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet.“

Alfred Nobel war schon fünf Jahre tot als 1901 in Stockholm zum ersten Mal der Literaturnobelpreis verliehen wurde. Erster Preisträger war der französische Schriftsteller Sully Prudhomme. Der Literaturnobelpreis ist einer von insgesamt fünf Preisen, die Nobel testamentarisch verfügte und über eine eigens zu gründende Stiftung finanzierte. Das Preisgeld pro Disziplin beträgt seit 2020 zehn Millionen Kronen, das entspricht etwa 990.000 Euro. Neben dem für die Literatur gibt es jährlich einen Nobelpreis für Physik, Chemie, Medizin und den Friedensnobelpreis. Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften kam erst 1968 dazu und firmiert als „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis“. Im Nationenvergleich der Nobelpreisträger liegt Deutschland nach Frankreich, den USA und Großbritannien auf dem vierten Platz, gleichauf mit Schweden, das ebenfalls acht Nobelpreisträger der Literatur listet. Ein sehr gut gemachter Überblick über sämtliche Nobelpreisträger aller Kategorien von 1901 bis 2021 findet sich hier:

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