Im Portrait: Alfred Schmidt, ein Sammler aus Leidenschaft

Ins eiskalte Polarmeer zog es die Emder einst, um sich die Existenz zu sichern. Auch heute gibt es einen, der sich in der Stadt am Dollart auf die Jagd nach Grönlandwalen begibt. Allerdings nicht nach lebenden, sondern nach allem, was sich noch von dieser Zeit in Archiven, Büchern, auf Plakaten, alten Ansichtskarten und Stichen, in antiquarischen Zeitschriften und Zeitungen finden lässt. Die Rede ist von Alfred Schmidt, in Ostfriesland und weit über Ostfriesland hinaus bekannt als einer der renommiertesten Experten zum historischen Walfang.


Auch für Ostfriesland Reloaded hat er schon einen sehr lesenswerten Beitrag geschrieben: Tödlicher Walfang im kalten Eismeer.

Der Walfang war ein hartes Geschäft und viele Menschen ließen dabei ihr Leben. Häufig kam es vor, dass die Schiffe dem Wal in die Öffnungen von Eisfeldern hinterhersegelten und dabei passierte es nicht selten, dass durch Wind und Strömung sich die Öffnungen der Eisfelder wieder schlossen. Wurde dann nicht schnell genug gehandelt um sich etwa mit großen Sägen aus dem Eis zu befreien, gerieten die Schiffe in die sogenannte Eispressung und wurden regelrecht vom Eis zerdrückt. Mit viel Glück wurden die Besatzungen dann von anderen Schiffen aufgenommen.


Wale und die Walfängerstadt Emden, in der man 1643 noch vor allen anderen deutschen Städten zum ersten Mal auf Walfang fuhr, sind nicht seine einzige Leidenschaft. Denn Schmidt besitzt nicht nur eine der umfangreichsten Privatsammlungen zu dem gewaltigen Säugetier. Auch zur historischen Seehundjagd, “Die seltsamste Jagd in Europa”, hat er über Jahrzehnte ein umfangreiches Archiv zusammengetragen. Es umfasst Hunderte von historischen Ansichtskarten sowie, Holz- und Kupferstiche, Sammelbilder und Geldscheine, Briefmarken, Poststempel und unzählige andere Dokumente – wohl fast alles, was es im Zusammenhang mit Seehunden, ihrer Dressur und Jagd an deutschen Küsten und anderen Meeren in Text und Fotografie noch gibt.

Auf Jagd geht Alfred Schmidt nur nach Seehunden auf historischen Ansichtskarten. Am liebsten lässt er sie frei in die Nordsee, wie hier auf Juist in 2020 während einer Auswilderungsfahrt der Seehundstation Norden-Norddeich.

Im Fokus: Die maritime Geschichte Emdens

Schon in jungen Jahren packte den unermüdlichen Sammler auch ein besonderes Faible für alles Historische mit Bezug zu Emden. Ausgelöst wurde es durch ein riesiges Bild, das im Flur der Nesserlander Schule hing, die er besuchte. Es war eine Stadtlandschaft vom alten Emden, mit allen Details – die Emsmauer war zu sehen, die Burg. Der Schüler war sofort fasziniert, blieb immer wieder stehen und guckte sich alles ganz genau an: „Da hat es bei mir gefunkt.“

Dem historischen Emden hat er viele Jahre später dann selbst ein Buch gewidmet: „Gruss aus Emden“. Entlang seiner Sammlung historischer Ansichtskarten vom Emden, die rund 200 Exemplare umfasst, erzählt Schmidt die Geschichten zu den alten Motiven aus dem Hafen und Binnenhafen. So entsteht ein faszinierender Blick in eine vergangene Zeit und insbesondere auf die maritime Geschichte der Stadt am Delft.

Alte Lesezeichen haben es dem leidenschaftlichen Sammler aus Emden ebenfalls angetan. Auch Skuriles umfasst sein riesiges Archiv: Etwa Ansichtskarten vom Weltuntergang, der 1910 die Gemüter bewegte und sich damals kreativ in der Kommunikation auf dem Postwege niederschlug. Zu seiner Sammlung gehören auch verrückte Zahlenkombinationen auf Poststempeln, wie beispielsweise 11.12.13. Ebenfalls hat er einen Blick auf die spezielle „Briefmarkensprache“. Denn uns heute kaum noch bekannt, wurden mit der Art und Weise, wie Briefmarken auf den Umschlag geklebt wurden, Botschaften ausgetauscht.

Als Schüler war Alfred Schmidt sehr gut in Deutsch und hätte gerne einen Beruf ergriffen, der mit Schreiben und Büchern zu tun hat. Schriftsetzer wollte er eigentlich werden. Aber dann klappte es nicht mit der Lehrstelle und so entschloss er sich, das Tischlerhandwerk zu ergreifen. Diesen Beruf hat er seit 1966 zeitlebens ausgeübt. Besonders gemocht hat er ihn, wenn es um schöne, traditionelle Arbeiten mit Holz ging. An einen Auftrag denkt Schmidt  heute noch gerne zurück: als er ein Paar Schlittschuhe – die „Breinermoorer” – nach alter Art aus Holz anfertigen durfte.

Aus der Feder des Experten: der Publizist

Seine Interesse am Publizieren lebte er zwar nicht beruflich, aber umso mehr in seiner Freizeit aus. Er hat unzählige Fachartikel geschrieben und mit www.schmidt-fluke.de ein Online-Portal zu Walen, Walstrandungen, Walfang, Seehunden und Seehundsjagd aufgebaut, das seinesgleichen sucht.

Schmidt ist zudem Herausgeber der “Fluke”, eines Fachmagazins zu Walen und Walfang, das zweimal im Jahr erscheint und Beiträge und Aufsätze verschiedenster Autoren und internationaler Fachleute enthält. Das Non-Profit-Magazin ist unter der ISSN-Nummer 1619-974X abrufbar, kann aber auch direkt bei Alfred Schmidt (alfred@schmidt-fluke.de) zum Preis von 10,70 Euro (plus Porto innerhalb Deutschlands) bezogen werden. Gerade ist die Ausgabe Nr. 37 zum Thema “Schweinswale in Aquarien” erschienen, die nächste kommt im April 2021 heraus.

Unter die Buchautoren ist er auch gegangen. Mittlerweile hat Schmidt zwei Bücher im Selbstverlag, der Cachelotpresse, herausgegeben. Vor der aktuellen Neuerscheinung zum Emder Hafen war dieses ein höchst unterhaltsames Buch zu Seehunden: eine bunte Bilderreise entlang von historischen Ansichtskarten und Bildern, kompetent erläutert vom Autor.

Einzigartig: die „Sammlung Alfred Schmidt“

Seit mehr als fünfzig Jahren sammelt Schmidt alles, was er finden kann, zu seinen Spezialgebieten. Ein Vermögen hat er mittlerweile für seine kleinen Kostbarkeiten ausgegeben, sie auf vielen Versteigerungen, Nachlässen und in Antiquariaten erworben. Mit der Zeit ist in seiner Wohnung am Delft eine einzigartige kulturhistorische Sammlung zum maritimen Emden, dem Walfang und der Seehundjagd entstanden. Man wundert sich wirklich, dass diese bisher nur privat zugänglich ist. Eine öffentliche Ausstellung wäre den Emdern zu wünschen. Am Sammler soll es nicht liegen.


Der biografische Kasten

Als jüngster von fünf Brüdern wird Alfred Schmidt am 29. März 1951 in Emden geboren. Sein ganzes Leben hat er in der Hafenstadt am Dollart verbracht: Er ist hier geboren, zur Schule gegangen, aufgewachsen, hat hier immer gearbeitet und ist 2013 in Rente gegangen. Für “seine” Stadt und ihre Menschen hat er sich oft eingesetzt. Als Rentner umso mehr. Als einer der Gründer des Aktionsbündnisses wurde er öffentlich gegen die Zentralklinik aktiv, seit 2016 in der Wählergemeinschaft „Gemeinsam für Emden“ als deren zweiter Vorsitzender. Verheiratet seit 1972 feiert er mit Gattin Erika nächstes Jahr Goldene Hochzeit und genießt gemeinsam mit ihr, Tochter Bettina, Schwiegersohn Holger und Enkeltochter Lena-Louisa seinen absoluten „Unruhestand“.


Bücher von Alfred Schmidt

  • Seehunde an den Küstengewässern der Nord- und Ostsee. Eine kulturhistorische Bilderreise in die Vergangenheit. Seehunde – Seehundsjagd – Seehunddressur, Cachelotpresse, 2017 / 24,00 Euro zzgl. Versandkosten (zur Zeit vergriffen).
  • Gruss aus Emden. Ansichtskarten aus dem Emder Hafen und Binnenhafen, 128 Seiten mit 193 Abbildungen und Erläuterungen, Cachelotpresse, 2021 / 14,20 Euro zzgl. Versandkosten (bestellbar über alfred@schmidt-fluke.de).

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