Die große Liebe: einmal Afrika, immer Afrika

Ostfriesland ist seine Heimat, doch sein Herz hängt an Afrika. Als junger Mann, das Universitätsdiplom als Internationaler Agrarwissenschaftler gerade in der Tasche, beginnt Detlef Stang seine berufliche Laufbahn in der Demokratischen Republik Kongo, die damals, 1985, noch Zaire heißt und von Mobutu beherrscht wird. Fast zwanzig Jahre wird er auf dem schwarzen Kontinent arbeiten, immer im Dienst für namhafte Firmen und Organisationen. Diktatoren, Völkermord, Apartheid – Detlef Stang hat alles erlebt und gesehen in afrikanischen Ländern, auch viel Leid und Hunger. Doch die Liebe zu Afrika war von Anfang da und ist immer geblieben: zu den Menschen und der Schönheit einer gewaltigen Natur.

Paradiesisches Land am Äquator: der Kongo

Wenn man Detlef Stang heute fragt, was sein Lieblingsland in Afrika sei, wo es für ihn nach all den Jahren am Schönsten war, dann kommt ganz schnell die Antwort: der Kongo. Das war seine erste Station, ganz am Anfang seiner Laufbahn, seine erste afrikanische Erfahrung. Vielleicht verkläre er es rückblickend ein wenig, gesteht er sich selbst ein: „Es war damals wie im Paradies. Die Leute waren bitterarm, aber es war überall so viel Lachen in den Gesichtern.“

Im Kongo arbeitete er für das Unternehmen Pharmakina, bis heute immer noch einer der weltweit führenden Hersteller des natürlichen Malariamedikaments Chinin, das aus dem Chinarindenbaum gewonnen wird. Eine Pilzkrankheit gefährdete damals die Bäume und damit die Existenz der Firma. Vier Jahre hat es gedauert, aber dann war es geschafft, hatten Stang und seine Kollegen eine biologische Lösung gefunden.

Neben den beruflichen Erfolgen fand er im Kongo auch privat sein Glück: Er heiratet eine Afrikanerin, seine ersten zwei Kinder werden hier geboren. Zu viert geht es 1989 wieder zurück nach Deutschland – in ein ganz anderes Land, als er noch verlassen hat. Denn ihre Rückreise startet genau am Tag des Mauerfalls, am 9. November. Noch abends bei einem Zwischenstopp am Flughafen von Kigali überbringen ihm Kollegen die spektakulären Nachrichten aus Deutschland, die sie eben von der BBC erfahren hatten. „Ich konnte es gar nicht glauben.“ Er hält es zunächst für einen Scherz: „Es war für mich so unfassbar, eine vollkommen irreale Situation.“

Ein Nest in Ostfriesland: Zuhause in West-Rhauderfehn

Auch die Familie wird immer größer. Sein drittes Kind kommt im Sauerland auf die Welt und für ihn steht 1990 fest: „Ein eigenes Haus muss her.“ Das findet sich sehr schnell, und zwar in Ostfriesland, in West-Rhauderfehn. Es ist vor allen Dingen im nächsten Jahrzehnt immer wieder ein Nest, in das man stets zurückkehren kann, der feste Anlaufpunkt der Familie. Denn die afrikanischen Zeiten gehen für Stang nach einer kurzen Unterbrechung weiter. Das nächste Projekt führt ihn im April 1991 mit seiner mittlerweile fünfköpfigen Familie in das östliche Nachbarland des Kongos, nach Ruanda.

Der dramatische Höhepunkt: Ruanda

Dort beginnt er für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) zu arbeiten. Es ist das gleiche Projektgebiet wie vorher, der gleiche Wald, den er schon im Kongo betreut hat, nur dass jetzt eine Grenze dazwischen liegt und er sich nun auf der anderen Seite in Ruanda befindet. Stang ist zwei Jahre als Gemeindeförster tätig, bevor es wieder zurück geht nach Deutschland, auch wegen der Schulpflicht der Kinder. 

Mitten im Umbau seines Hauses ereilt ihn ein Anruf aus Ruanda und die dringende Bitte bei einem millionenschweren landwirtschaftlichen Ressourcenprojekt, das von der DED und der Kreditanstalt für Wiederaufbau finanziert wird, als Fachberater mitzuwirken. Mit Sack und Pack geht es wieder zurück.

Alles scheint gut. Sie wohnen sicher in der Hauptstadt Kigali, die Kinder besuchen die französische Schule, bis von einem Tag auf den anderen das Grauen einzieht.

Stang wird Zeuge von dem, was als der „Völkermord von Ruanda“ unrühmlich in die Geschichte der internationalen Völkergemeinschaft und der UNO eingehen wird,  ein grausames Abschlachten rivalisierender Stämme. Als die Rebellen in die Stadt kommen, befinden sich Stang, seine im sechsten Monat schwangere Frau und seine drei kleinen Kinder genau zwischen den Fronten. Die Lage ist aussichtslos und so gefährlich, dass er mental bereits mit seinem Leben abschließt: „Es gingen mir solche Dinge durch den Kopf, wie ich meine Familie und mich selbst umbringe, um den Mördern nur nicht in die Hände zu fallen.“ Sie sind mitten im Gefecht, in einem unvorstellbaren Lärm, den nur Granaten und Einschüsse machen können. Dieser Krieg, die Gemetzel und Geräusche sind für ihn bis heute eine traumatische Erfahrung.

Mit viel Glück schaffen sie es, dem Grauen zu entkommen. Er und seine Familie erreichen unversehrt den amerikanischen Club, und im Convoi werden sie mit anderen Ausländern nach Burundi evakuiert, von wo sie eine Maschine der Air France am 13. April 1994 wieder nach Europa bringt. Was ein schönes Gefühl wieder in Ostfriesland zu sein, zu Hause, außer Gefahr, ohne Angst! In Papenburg kommt sein viertes Kind zur Welt.

Dennoch geht es für ihn nach diesem dramatischen Höhepunkt seiner Afrikajahre wieder zurück auf den Kontinent: kurz nach Tansania, dann nach Kamerun, wo er an Malaria erkrankt und 6 Tage im Koma liegt. Und auch Ruanda lässt ihn noch nicht ganz los: Im März 1995 reist er nur elf Monate nach der Flucht zum dritten Mal in das vom Krieg zerstörte Land: „Ruanda hat mich lange begleitet.“ Zwei Jahre bleibt er nochmals dort, hilft bei der Aufbauarbeit. Die Not sei groß gewesen in dem Land, eine verrückte Zeit, aber auch eine mit viel Schönem. Er erinnert sich gern an den engen Zusammenhalt der deutschen Community, von Mitarbeitern des DED, der damaligen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), der deutschen Botschaft und deutscher Unternehmen.

Zum Schluss der Südwesten Afrikas: Namibia

Mit seiner sechsköpfigen Familie zieht es Stang 1998 nach einem Zwischenstopp in Ostfriesland nochmals nach Afrika: in die ehemalige deutsche Kolonie Namibia. Seine letzte Auslandsstation führt ihn nach vielen Jahren in zentralafrikanischen Staaten zum ersten Mal in den Süden des großen Kontinents.

Das ist zunächst landschaftlich ein gewaltiger Unterschied. Aus dem tropischen Regenwald des Kongos und Ruandas geht es in die Trockensteppe des Südwestens. Vier Jahre ist Stang hier für ein Ressourcenschutzprojekt tätig. Seine Kinder besuchen eine deutsche Privatschule, es geht ihnen gut. Aber es wird nicht ihr Land, trotz wunderbarer Landschaft. Dazu ist die Apartheid, der Rassismus, noch zu deutlich spürbar für seine Frau und Kinder. Die Zukunft der Familie liegt nicht hier.

Sondern in Ostfriesland! Denn 2001 geht es – und dieses Mal endgültig – zurück nach Hause. Es folgt eine schwere Zeit, die Trennung von seiner Frau. Mit Ende Vierzig startet der allein erziehende Vater von vier Kindern schließlich nochmals mit einem ganz neuen Baby durch: dem Ökowerk Emden.

Wie seine mittlerweile erwachsenen Kinder ist auch das in der Zwischenzeit ganz schön groß geworden, wächst und gedeiht. Vor kurzem ist ihm ein kleiner blauer Teller kaputt gegangen, so einer mit aufgemalten Delfter Motiven. Die Scherben machten ihn ein wenig sentimental: „Er hat mich auf so vielen Reisen nach Afrika begleitet. Es ist wie Abschied nehmen von einem Freund, der mich unterwegs immer an Ostfriesland erinnert hat.“

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Bildnachweis: Sämtliche Fotos sind aus dem privaten Archiv von Detlef Stang.

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