Einfach königlich: Der kostbare Goldschmuck der Ostfriesinnen

Sie hatten schwer zu tragen an ihrer Tracht: Gold glänzte einfach überall an ihrem Körper, auf ihrem Kopf, an den Händen, den Füßen. Sie konnten sich solch kostbares Geschmeide leisten, das war die Botschaft und das zeigten sie auch gerne öffentlich. Besonders an Festtagen führten Ostfriesinnen eine Pracht aus, “daß man ähnliches in der gesamten Christenheit kaum jemals wieder sieht”, wissen Augenzeugen aus dem frühen 16. Jahrhundert zu berichten. Sie waren so reich behangen, “daß sie nicht weniger belastet als geschmückt erscheinen”. Ein wahres “Spectaculum” für Besucher aus der Ferne.

Einer Königin gleich schritten sie durch ein Land, das sie durch ihre einzigartige Stellung im Seehandel des frühen Mittelalters vermögend gemacht hatte. Inspiriert von den Eindrücken der fernen Welt, von den Kreuzzügen Richtung Orient, von Byzanz und Ravenna, und auch unter Einfluss französischen Stils und Herrlichkeit entwickelte sich in Ostfriesland eine üppige, reiche und einzigartige Festtracht.

Pael-DiademZum feierlichen Ornat einer vornehmen Ostfriesin gehörte damals ein breites Stirndiadem. Es bestand aus sieben mit Edelsteinen geschmückten Goldplatten. Die einzelnen Glieder waren mit Scharnieren verbunden und schmiegten sich von der Mitte aus immer schmaler werdend um den Kopf der Trägerin. Pael nannte man dieses kostbare Schmuckstück, das das Haupt einer jeden Frau von hohem Stand krönte.

Fuerspan-BrustschildDann gab es noch den Eskart, auch Span oder Fürspan genannt. Das waren große runde Spangen, die man sich wie Schilde vor die Brust schnallte. Manchmal waren bis zu fünf davon zu einer Art metallenem Mieder aus Gold zusammengefügt. Einmalig war auch der Aufnähschmuck der Ostfriesinnen. Das schlichte, grün- oder rotfarbene Gewand, bodenlang und mit vielen Falten, war mit unzähligen Plättchen aus Edelmetall geschmückt. Diese waren auf den Stoff aufgenäht und liefen in langen Streifen über das gesamte Kleid. Schersson nannte man diese Streifenbänder aus Gold.

Und damit nicht genug des Schmuckes: Man streifte sich noch goldene Reifen in großer Zahl über die ganze Länge des Arms, die Armilla, befestigte daran und auf den Schultern unzählige Glöckchen, die Tintinabula, und wer das nicht genug war, die hing sich noch eine Dreierkette vor die Brust. Die Ringe an Finger und Ohren gingen da schon fast unter. Selbst die Strümpfe waren bei manch einer noch mit Gold und Edelsteinen versehen.

Aber auch das Alltagsgewand der Ostfriesin war keine gewöhnliche Tracht. Selbst zur Arbeit auf dem Feld ging man mit goldenen Schellen, Armbändern und Gürtel und legte besonders viel Wert auf seinen Haarschmuck. Der lange Zopf hinten wurde mit dem so genannten Stuckelband geschmückt und verlängert: Das war eine äußerst lange Kette, reich verziert mit Glöckchen und kleinen Schmuckblättern, die in einem auffälligen Gehänge aus silbernen und vergoldeten Kügelchen an der Hüfte endete.

In bezaubernden Bildern ist dieses alles festgehalten im Lütetsburger Hausbuch. Eine Art Notizbuch, 184 Seiten insgesamt vom Umfang, das Unico Manninga seit 1561 führte, um wesentliche Dinge seiner Familie und seines Besitzes festzuhalten. Die Aufzeichnungen vom kostbaren Schmuck und Tracht der Ostfriesinnen sind aus Traditionsbewusstsein und dem Gefühl, dass diese goldenen Zeiten bald für immer vorbei sein werden, entstanden.

“Dewile ick spore…”, so steht es heute noch in seiner Einleitung und Handschrift zu den sechzehn Blättern mit den Portraits und vielen Detailzeichnungen geschrieben. Weil er spürt, dass alles bald vergangen sein wird, wollte er es festhalten. Entstanden ist ein einzigartiges, historisches Trachtenbuch, das bis heute in den Bann zieht: Die Federzeichnungen mit den leuchtenden Aquarellfarben sind auch künstlerisch besonders wertvoll.

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Lesetipp

Tracht und Schmuck Altfrieslands

nach den Darstellungen im Hausbuch des Häuptlings Unico Manninga

von Dr. Johannes C. Stracke

Das historische Fachbuch, 1967 herausgegeben von der Ostfriesischen Landschaft,  beschreibt genauestens das Lütetsburger Hausbuch, seine Zeichnungen, seine Entstehungsgeschichte und Urheber und gibt zudem eine Einordnung der Trachtensammlung in Geschichte, Kunst und Kultur. Sehr empfehlenswert. Im Buchhandel wohl nicht mehr erhältlich, aber in der Landschaftsbibiliothek in Aurich.

Sämtliche der im Artikel gezeigten Bildmotive sind dem Buch entnommen.

 

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