Wolkenkratzer aus rotem Ziegel: Mutige Erstbesteigung in Hage

Ganz nach da oben soll es jetzt hinauf gehen: in die Spitze des Kirchturms einer ehrwürdigen, massiven Backsteinkirche. Ostfriesland Reloaded hat die seltene Gelegenheit genutzt, einen der ältesten Kirchtürme im Land zu besteigen, den der St.-Ansgari-Kirche in Hage. Der ist nicht nur hoch, sondern hat auch noch eine deutliche Schieflage. Doch bevor es hinauf geht, gilt es erst ein Mal den Eingang zum Glockenturm zu finden, und der versteckt sich ganz klein an der südlichen Seite des massiven Kirchturms. Die Tür ist offen: Hereinspaziert!

Oder besser: Hinaufspaziert! Denn von jetzt an gibt es nur eine Richtung und die heisst aufwärts. Nichts für korpulentere Personen ist der erste Streckenabschnitt: Dicke Backsteinmauern lassen nur Platz für ein schmales dunkles Treppenhaus durch das man sich im Halbdunkeln hinaufzwängt. Doch recht schnell hat man diesen Engpass bewältigt und befindet sich in einem offenen Geschoss mit freiem Blick auf das Glockengeläut. Von dort geht es dann rechts über eine erste Holzstiege weiter nach oben.

 

Die St.-Ansgari-Kirche in Hage bei Norden zählt zu den ältesten Kirchenbauten Ostfrieslands: Sie stammt aus dem frühen 13. Jahrhundert. Der wuchtige Turm im Westen wurde dem Kirchenschiff noch vor 1250 angebaut. Unglaubliche achthundert Jahre ist das Backsteinmauerwerk also alt, durch das wir uns bewegen. Der Kirchturm ist noch ganz vom Stil der Romanik geprägt und weist Lisinen, Bogenfriese und Rundbogenöffnungen auf. Aus denen schaut man nun von innen heraus und weit über das Norderland unter einem.

 

Wer Höhenangst hat, für den sind die nächsten Meter nicht unbedingt zu empfehlen. Denn von der Etage mit den vielen Backsteinfenstern geht es steil weiter im Turm hinauf – und das auf offenen Holztreppen. Eine freie Konstruktion, die sich durch die nächsten Höhenmeter zieht, aber auf ängstliche Gemüter durchaus auch einen stabilen Eindruck macht. Man beginnt aber dennoch langsam zu begreifen, warum eine Besteigung nur mit Begleitung erlaubt ist…

 

Je höher man kommt, umso weniger Backstein und umso mehr Holz ist zu sehen. Denn hier ist bereits der Dachboden ganz oben im Turm. Sparren und Pfetten, massive Holzkonstruktionen prägen die nächsten Meter. Noch ein paar Schritte und dann ist es geschafft: Spitze! Höher geht’s nicht – über einem nur der blaue Himmel und ein neugieriger Blick aus der Dachluke.

 

Dann geht es wieder vorsichtig hinab, die vielen Holztreppen und Stiegen. Immer in der bangen Hoffnung, dass den Glocken das Stündlein nicht dann ausgerechnet schlägt, wenn man direkt neben ihnen steht. Und dann, irgendwann, ist man endlich wieder unten, folgt dem hellen Licht nach draußen und richtet seinen Blick nochmal ganz nach oben – auf dieses gewaltige Monument, das wahre Künstler ihres Fachs einst Schicht um Schicht aus Backstein errichteten. Unwillkürlich überfällt einen Ehrfurcht vor dieser Meisterleistung.

Hage Kirchturmbesteigung

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Zur Baugeschichte

Man begann mit dem Bau der Steinkirche von Hage wahrscheinlich bereits am Ende des 12. Jahrhunderts, spätestens aber um 1220. Zunächst wurde dazu eine rund 6 Meter hohe Warft aufgeschüttet, um das Gotteshaus zusätzlich gegen Hochwasser zu sichern. Anschließend wurde das Granitfundament angelegt, auf dem schließlich die Kirche aus Backsteinen im Stil der Romanik errichtet wurde. Ursprünglich war sie eine Saalkirche und hatte wahrscheinlich eine niedrige Rundapsis. In den Jahren um 1480 bis 1490 wurde die ursprüngliche Apsis durch einen rechteckigen gotischen Chor ersetzt. Der Kirchturm neigt sich deutlich nach Westen, was damit erklärt wird, dass er mit seiner Ostwand auf dem durch die Kirche vorgepressten Warftboden ruht, mit seiner Westseite dagegen auf unbefestigtem Grund, der sich im Laufe der Zeiten absenkte. (Nach Wikipedia)


Wer sich für eine Turmbesteigung interessiert, nimmt am Besten direkt Kontakt mit der Kirchengemeinde St. -Ansgari in Hage auf. Dort erfahren Sie auch die Termine für 2018, an denen eine Turmbesteigung angeboten wird. Auf YouTube ist zudem das Video einer Erkundung des Kirchturms zu sehen, die Tim von Lindenau 2016 im Rahmen seiner Aktion Exploring Hidden Places nachts unternommen hat.


 

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