Hochseeangeln: Die Jäger der silbernen Makrelen

200 Gramm Blei und viele schillernde Phosphorkugeln als Köder – damit geht noch jede Makrele an die Angel. Das Rezept ist geprüft, schließlich fährt Axel Henke schon seit vierzig Jahren durchs flache Wattenmeer und auch zum Hochseeangeln hinaus auf die Nordsee. Er ist seit drei Jahren Kapitän der MS Freia, die vom Fischereihafen in Dornumersiel ihre Fahrt hinter die Inseln startet. Mit an Bord: seine Crew, Ostfriesland Reloaded und etwa 15 Hobbyangler – darunter eine Frau -, die mit Angeln, Köder, Körben und Proviant bewaffnet den kleinen Fahrgastkutter besteigen und sich und ihre sperrige Ausrüstung immer der Reling entlang im Boot verteilen.

Bestes Anglerwetter: ein herrlicher Tag, blauer Himmel, kaum Wind. Die MS Freia, ein Motorschiff mit 240 PS, verfügt über moderne elektronische Ausrüstung wie etwa einen Kartenplotter, DGPS, aktuelles Farbvideoecholot, Radar und auch ein GMDSS Sicherheitsfunkgerät, um bei schlechter Sicht immer ihr Ziel zu finden. Doch das ist heute alles gar nicht notwendig.

In ruhiger Fahrt geht es entlang der Pricken und Bojen im Wattenmeer Richtung Langeoog um dann mit Kurs West und Baltrum das Seegatt zwischen den beiden Inseln, das Accumer Ee, anzusteuern. Hier strömen die gewaltigen Wassermassen bei Ebbe und Flut durch, hier ist die Strömung entsprechend stark. Für die MS Freia ist das alles kein Problem.

Bis jetzt ist die See noch Wattenmeer und ruhig. Zeit, sich ein wenig zu stärken und kennenzulernen. Schließlich ist man jetzt für die nächsten fünf Stunden eine Schicksalsgemeinschaft! Mit an Bord ist eine Anglerabordnung aus Großefehn, genauer Ost-Großefehn. Darauf legen die Herren wert. Sie sind bestens vorbereitet und bestens ausgerüstet, genug dabei um großzügig zu teilen: Los geht’s mit Buletten, dann gibt’s Würste und zum Schluss alkoholfreies Bier. Perfekt! Denn der riesige Proviantkoffer muss leer sein, schließlich kommt da später der Fang rein. Bevor es an Bord allzu gemütlich wird, spricht Kapitän Henke mit lauter Stimme ernste Worte an die Truppe. Zur Einweisung gibt’s Tipps, wie man es richtig macht und wie man es nicht machen sollte. Oberste Regel: “Augen auf beim Angeln” – auch auf den Nachbarn. Im Eifer des Gefechts, wenn 15 Ruten gleichzeitig geworfen werden, kann das schon Mal ein wertvoller Rat sein. Und: “Sortiert Eure Schnüre!” Denn das Schlimmste, was einem Angler über einem Makrelenschwarm passieren kann, ist das Verheddern der Angelrute.

Die MS Freia ist mittlerweile draußen auf der Hochsee vor Langeoog. Kapitän Henke tut was er kann, damit das Anglerglück seinen Gästen hold ist. Dabei setzt er gar nicht Mal sein Echolot ein, sondern vielmehr die langjährige Erfahrung und einen gewissen Jagdinstinkt. Auch der Austausch mit anderen Kuttern und Fischern bringt ihn auf die Fährte der Makrelen. “Ein bißchen Glück ist aber auch immer dabei”, so Axel Henke. Er streift durch sein Revier vor den Ostfriesischen Inseln und da, auf zehn bis zwölf Metern Wassertiefe, hat er ihn: den Makrelenschwarm, auf den oben alle warten. Jetzt ist schnelle Reaktion gefragt, denn in nur kurzer Zeit gilt es, reichlich Beute zu machen. Geangelt wird mit dem “Paternoster”, einer langen Angelschnur mit vielen Ködern an der Leine. Damit hängt nicht nur ein Fisch, sondern gleich ein halbes Dutzend an der Angel.

Action! Makrelen über Makrelen sind an den Haken. Köder dran, rein damit, Leine hochgeholt und eingefangen, dann den Fisch vom Haken und in den Korb. Das ganze wieder von vorne. Die große Kunst dabei ist eigentlich gar nicht so sehr das Angeln, sondern das stehen bleiben an der Reling. Denn draußen hinter den Inseln ist zwar keine stürmische See, aber das Wasser ist “kabbelig”, das Boot nur so am hin und her schwanken. Es braucht nicht unbedingt hohe Wogen um seekrank zu werden… Aber in aller Regel kommt man ohne dieses Übel weg. Übel wird einem vielleicht noch beim direkten Schlachten des Fanges an Bord. Denn das gehört unweigerlich zur Übung des Hochseeangelns: das Ausnehmen der frisch gefangenen Fische. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Varianten: Wer räuchern will, lässt den Kopf dran, wer grillen möchte, der macht ihn ab. Die Eingeweide kommen auf jeden Fall heraus.

Das Fangergebnis ist pro Tour immer recht unterschiedlich. 20 Makrelen aber auch bis zu 100 Makrelen pro Person können schon mal gefangen werden. Laut Henke gibt es dieses Jahr mehr Makrelen als letztes Jahr, auch mit Dorsch habe man im Frühjahr gute Ausbeute gemacht. Zu sehr will sich der erfahrene Seeman aber nicht auf die Makrelenfischerei spezialisieren, das sei relativ stark vom Wetter abhängig. Mit seiner MS Freia bietet er daher auch eine Reihe von Schiffsausflügen ohne Angeln an wie beispielsweise Kreuzfahrten oder Wattenmeer-Safaris, wo er mit dem Schleppnetz fischt und die Vielfalt des Wattenmeers direkt am Objekt zeigt.

Die Gruppe aus Ost-Großefehn kommt am Ende eher mit einem kleineren Fang zurück: 30 Makrelen von drei gesunden Männern, einen hatte die Seekrankheit unterwegs erwischt. Günther Rademacher, mit 65 Jahren der Senior der Gruppe, ist dennoch zufrieden. “Immerhin müssen wir am Hafen keinen Fisch kaufen”, meint er augenzwinkernd, zu Hause wäre das Fischgrillen für abends nämlich schon fest eingeplant. Rademacher ist Sohn eines waschechten Kapitäns, schon als kleiner Junge ist er zum Hochseeangeln raus: “Da angelte man noch mit Staniolpapier als Blinker.”

Wer für frisch gegrillten Nordseefisch nicht ganz so weit auf die See hinaus will, aber es dennoch gerne etwas Maritimer mag, dem sei eine Alternative empfohlen: das Schollenbraten im Watt. Um 11:30 Uhr geht es heute, am 15. August, in Hooksiel bei Live-Musik und mit Jever-Pils los. Also nichts wie hin: unten mit den Füßen im kalten Schlick und oben ein knusprig heißes Schollenfilet im Mund. Das ist doch immer einen Abstecher ins Wangerland wert.


Und noch etwas

Scholle, Makrele, Kabeljau (Dorsch), Seelachs, Steinbutt – sie alle gehören zu den Hochseefischen. Das Wattenmeer ist ihre Kinderstube, aber richtig große und ausgewachsene Exemplare dieser Gattungen fängt man nur draußen auf hoher See Richtung Helgoland, dann aber mit dem Netz und nicht mit der Angel. Einen schönen Überblick über die Welt der Fische und des Fischens in der Nordsee gibt ein reich bebildertes Buch, das ganz neu erschienen ist:

Bernd-Uwe Janssen

Berufe rund ums Meer – FISCHER, 2017

WILLEGOOS Verlag, Potsdam, http://www.willegoos.de

ISBN: 978-3-944445-24-3


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