Seit Kurzem ist er aufgenommen in die bundesdeutsche Liste des immateriellen Kulturerbes: der Blaudruck. Gerettet und am Leben gehalten wird das alte Handwerk auch hier an der Nordsee. Denn mit der “Blaudruckerei im Kattrepel” findet sich im friesischen Jever einer der wenigen Orte in Deutschland, an denen man diese selten gewordene Kunst noch pflegt. Seit über dreißig Jahren hat hier Georg Stark seine Werkstatt, entdeckt und forscht unermüdlich zu dieser alten Kulturtechnik und setzt seine Erkenntnisse dann gerne in die Praxis um, in wunderbare Textilien aus Leinen, Baumwolle, Hanf, Samt und Seide. Tausende von Besucher hat er in den vergangenen Jahrzehnten eingeführt in das historische Drucken und Färben und direkt am Objekt demonstriert, wie die kunstvollen weißen Muster in das dunkle Blau der Stoffe kommen.
Blaudruck ist eigentlich ein leicht irreführender Name für die Disziplin. Denn in Blau gedruckt wird bei der historischen Technik rein gar nichts. Bedruckt werden genau genommen die Stellen im Stoff, die später ungefärbt und damit Weiß bleiben sollen. Dazu nimmt man eine klebrige Masse, den sogenannten Druckpapp, und streicht diese auf mit Mustern verzierte Druckstöcke, die Modeln. Blau kommt erst sehr viel später ins Spiel, wenn der mit der schützenden Reserve behandelte Stoff zum Färben in die Indigo-Küpe getaucht wird. Die ist bei Stark drei Meter tief in den Werkstattboden eingelassen und sorgt dafür, dass die Stoffbahnen frei hängen und so eine gleichmäßige Indigo-Färbung entsteht. Herausgezogen aus dem Färbebottich ist der Stoff allerdings nicht blau, sondern grün! Das sprichwörtlich blaue Wunder passiert dann beim Kontakt mit der Luft. Wie durch Zauberhand verändert der Stoff seine Farbe und erstrahlt nach kurzer Zeit im kräftigen Indigo-Blau.
Das Färben mit dem tropischen Indigo kam durch den Handel mit Indien einst nach Europa. Bis dahin kannte man auf dem heimischen Kontinent für das Blaufärben seit Jahrhunderten nur den Färberweid, das Deutsche Indigo. In Frankreich war dieses als Bleu de Pastel bekannt, und brachte der Gegend um Toulouse großen Wohlstand. Doch das war mit dem Einzug der tropischen Indigopflanze Indigofera tinctoria vorbei, brachte die neue Pflanze doch eine größere Farbausbeute und viel intensivere Farbergebnisse als das europäische Färberwaid. Bei den heimischen wie den tropischen Pflanzen wurde aus dem Saft der Blätter und mittels Fermentierungsprozessen ein blaues Pulver gewonnen, mit dem man die Textilien färbte. Als man ab 1897 in der Lage war, Indigo auch synthetisch herzustellen, verschwanden schließlich auch die natürlichen Farbstoffe zum Blaufärben vom Markt.
Ob mit künstlichem oder natürlichem, mit tropischem oder deutschem Indigo – der Reiz des Blaudrucks kommt vor allen Dingen durch das Weiß und die in Holz geschnitzten Muster der Modeln. Rund 700 alte Druckstöcke umfasst die Sammlung in Jever, von denen zirka 500 Muster druckbar sind – ein wahrer Schatz, den Stark in seiner Werkstatt und angeschlossenem Verkaufsraum hütet. Sie stammen aus ehemaligen Werkstätten in Ostfriesland, aus Holland, Ungarn und der Schweiz.
Sie sind das eigentliche Kapital der Blaudruckwerkstatt in Jever, machen Stark auch zum international gefragten Experten, wenn er wie in 2013 auf einer Fachtagung in Antwerpen über die Verbindungen zwischen Blaudruck in Ägypten und nordeuropäischen Dekoren referriert. Die Leidenschaft des ehemaligen Geschichtstudenten gilt ganz den alten Motiven: “Ich drucke ausschließlich historische Dekore, wie sie in der Zeit von etwa 1660 bis 1900 in Gebrauch waren.” Bis 1800 war Exotisches extrem angesagt, finden sich auf den Modeln häufig Granatäpfel, Pfauenfedern oder Lotusblumen. Später wurden die Muster oft feiner und diskreter, beliebt sind Streublumen oder zierliche Streifendekore. Auch Muster aus dem “Art Déco” um 1926 finden sich in Starks umfangreicher Sammlung.
Wie vor Jahrhunderten druckt er bis heute die Dekore von Hand auf den Stoff, setzt geduldig eine Model nach der der anderen passgenau an, um lange Musterrapports zu erstellen. Die Druckstöcke sind aus Birnbaumholz, das eine Woche lang Tag und Nacht gewässert wurde. Das dann 20 bis 30 Jahre lang lagerte, bevor man in den Holzkörper ein kunstvolles Muster schnitzte. Sehr feine Musterteile wurden zusätzlich mit Metallstiften gebildet, die man in das Holz schlug. Die Druckstöcke erstellten sogenannte Formenstecher – ein spezialisierter Handwerksberuf, der schon lange ausgestorben ist und daher jede noch erhaltene Holzmodel zu einer kleinen Kostbarkeit macht.
Damit auch sein seltenes Wissen nicht ganz verloren geht, hat Stark 2004 ein Buch im Selbstverlag herausgebracht, in dem er seine Forschungsergebnisse rund um das alte Handwerk des Blaudrucks zusammenfasst. Seine genaue Rezeptur für den Druckpapp macht er nicht öffentlich. Sie ist das Geheimnis eines jeden Blaudruckers. Nur soviel: Sie ist 400 Jahre alt und besteht aus “Gummiarabicum, weißer Tabakspfeifenerde, Kupervitriol, Galitzenstein, Saccharum Saturni, Alaun und Bufones Sanguinem”. Ob’s stimmt? Das weiß nur Der Magier der blauen Farbe.
Die Blaudruckerwerkstatt befindet sich in einem Speicher von 1822, gelegen im alten Kattrepel in Jever hinter der Fußgängerzone Neue Straße. Der Besucher kann beim Drucken und Färben zusehen und erhält Erläuterungen zur Tradition dieses Handwerks. Eintritt frei.
Jeden Mittwoch um 15 Uhr gibt es eine Handwerksvorführung:
Drucken, Indigofärben, „Blaues Wunder“, Mustererklärung, Gedichte
Dauer ca. 45 Minuten, 2 € pro Person, ohne Anmeldung.
Dieses Angebot richtet sich nur an interessierte Einzelbesucher!
Außerdem können Handwerksvorführungen für Gruppen gebucht werden. Dauer ca. 45 Minuten, Kosten pauschal pro Gruppe 58,- €. Es passen max. 30 Personen in die Werkstatt. Bitte einige Tage vorher telefonisch anmelden unter 04461-71388.
Öffnungszeiten:
Mo.- Fr. 11- 17 Uhr
Sa. 10 – 14 Uhr und
nach Vereinbarung
Kontakt:
Blaudruckerei
Kattrepel 3
D-26441 Jever
Fon: 04461-71388
Email: webmaster@blaudruckerei.de
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