In dieser Ausgabe von Ostfriesland Reloaded wird’s archaisch. Denn Schießen und Jagen gehörten seit Jahrtausenden zu den Techniken mit denen der Mensch sein Überleben sicherte – an seiner Seite stets treu der Hund. Heute werden diese Künste nicht mehr zwingend benötigt, um unsere Existenz auf Erden zu sichern. Der Hunger wird im 21. Jahrhundert an Supermarktkassen gestillt. Kein Tier muss mehr persönlich erledigt werden, um sich die nötigen Eiweißmengen für den Körper und die Muskeln zu sichern. Die uralten Fertigkeiten werden aber bis heute trainiert und von Generation zu Generation weitergegeben.
Bei Olympischen Spielen erblicken sie dann manchmal das Rampenlicht der Öffentlichkeit, etwa wenn Deutschlands Sportschützen an der Waffe und dem Bogen den nationalen Medaillenspiegel wieder ordentlich nach oben treiben. 2016 in Rio de Janeiro waren es immerhin drei Gold- und eine Silbermedaille, die wir allein dem Schießen zu verdanken hatten. In so exotisch klingenden Wettkämpfen wie der Schnellfeuerpistole 25 Meter, dem Kleinkalibergewehr liegend 50 Meter, dem Sportgewehr Dreistellungskampf 50 Meter oder der Sportpistole 25 Meter lagen deutsche Sportler vorn. Damit waren die Schützen hinter den Kanuten die erfolgreichste sportliche Disziplin im nationalen Kader. Rechnet man noch die eine Silbermedaille hinzu, die im Bogenschießen bei den Frauen erzielt wurde, dann stammen allein fünf der insgesamt 42 Medaillen, die Deutschland in Rio sammeln konnte, von Schützen. Die immer viel beachteten Leichtathleten kamen auf gerade mal drei und die Schwimmer gingen komplett leer aus.
Gerade ostfriesische Sportler und Vereine sind in den Techniken, die unsere Vorfahren zum Überleben brauchten, ausgesprochen erfolgreich. Vielleicht liegt es an den Naturgewalten ringsherum, an einem Leben, das in Ostfriesland oft wesentlich naturnäher ist als im Rest der Republik? Wer weiß. Sicher ist aber, dass das Bogenschießen zu den ursprünglichsten Überlebenstechniken gehört: “Über Jahrtausende spielten Pfeil und Bogen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Menschheit. Wie und wann der Bogen entdeckt wurde, verliert sich im Dunkel der Geschichte, doch gehen Wissenschaftler von einem Alter zwischen 150.000 und 50.000 Jahren aus. Zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert verloren Pfeil und Bogen durch die Entwicklung der Feuerwaffen dann ihre Bedeutung bis sie Anfang des 20. Jahrhunderts als Sportgerät wiederentdeckt wurden. Seit 1972 ist Bogenschießen olympische Disziplin.”
Diese Informationen finden sich auf der Website des Auricher Schützenvereins (ASV) e.V. von 1666 und seiner Bogenschießen-Abteilung, die 1983 von Erich Fritz gegründet wurde. Damit ist der ASV einer der ersten Vereine in Ostfriesland, der das Schießen mit Pfeil und Bogen in seinen verschiedenen Disziplinen trainierte. Sehr erfolgreich, wie man feststellen muss. Denn in der Bestenliste des deutschen Bogensports befanden sich 2015 allein sechs Sportler- und Sportlerinnen des Auricher Vereins. Einer der “Glorreichen Sechs” ist auch Abteilungsleiter Klaus-Dieter Pauw, der zusammen mit einer Crew erfahrener Trainer und fachlich versierter Betreuer die mittlerweile größte Abteilung des ASV anführt. Darunter auch Susanne “Sanne” Schulze, die auch in diesem Jahr an den Deutschen Meisterschaften im Bogenschießen teilnimmt, die Ende August im bayerischem Hallbergmoos ausgetragen werden. Auch der Magedeburger Alexander Thiele trainiert mehrmals die Woche für die bald anstehenden Saisonhöhepunkte auf dem Trainingsplatz direkt hinter dem EEZ in Aurich-Sandhorst. Die maximale Distanz bei den Frauen liegt bei 70 Metern, bei den Männern sind es 90. “Alle ins Gold” heißt es bei den Bogenschützen und ihrer in rot-blau-schwarz-umringelten Scheibenmitte.
Ins Schwarze geht es dagegen bei den Schützen an der Waffe. Und das ist nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Schießdisziplinen im Verein. Die “Knallerbsen”, wie sie von den Kollegen gern ironisch genannt werden, sind halt doch so ein ganz anderes Völkchen als die sehr sportlich orientierten Schützen an Pfeil und Bogen. Der Höhepunkt des Jahres ist dort nicht die Deutsche Meisterschaft, sondern das jährlich stattfindende Schützenfest. In Aurich – wie auch in vielen anderen ostfriesischen Orten und besonders heftig in Esens – naht die Schützenfestsaison: vom 30. Juni bis 2. Juli geht es beim Auricher SV wieder ganz traditionell zu mit dem Ausschießen des neuen Königshauses sowie Kaiser und Kaiserin, mit Proklamation, Schützenball und Frühschoppen.
Ein Programm, das auch Justus Bender erlebte, als er sich 2009 für drei Monate unter Schützen in einen traditionellen Schützenverein begab. Sein Artikel in der ZEIT gibt verständnisvolle Einblicke in eine Szene, die regelmäßig für zu starke nationalistische Töne, Selbstjustiz, gar als Nährboden für verirrte Amokläufer verantwortlich gemacht wird. Der Journalist zeigt sich als talentiert, schließt Freundschaften, doch etwas hält ihn dann doch davon ab, zu tiefe Wurzeln im deutschen Schützenwesen zu fassen: “Vielleicht hätte ich einer wie Dennis werden können. Einer mit 10 – 10 – 10 – 10 – 10. Aber ich will nicht. Es ist nicht das Schießen, das mich abschreckt. Es ist das Drumherum: die Biere, die Orden, die schmuddeligen Witze, die nationalen Gesänge. Gäbe es einen Schützenverein, der einfach nur schießt: Ich wäre wahrscheinlich dabei.”
Auch beim Jagen stellt sich manchem die Frage, ob das ein Sport sei oder nicht. Laut Google ist Sport “eine der körperlichen Aktivitäten, die man zum Vergnügen, zur Kräftigung des Körpers oder als Wettbewerb betreibt.” Viele Jäger würden wohl abstreiten, dass sie dieses zum reinen Vergnügen tun. Pflege und Schutz des Tierbestandes werden da wohl eher als Hauptantrieb genannt. Allerdings ist der Jagd ein gewisser Wettbewerbscharakter nicht abzusprechen. Immerhin werden Geweihe Trophäen genannt und besonders bei der Treibjagd geht es um Erfolg, denn der beste Schütze wird zum König der Jagd ernannt – wenn das mal kein Wettbewerb ist. Und eine körperliche Aktivität mit Wettbewerbscharakter darf Sport genannt werden. So ist selbst die Jagd nicht ganz frei von sportlichen Aspekten.
Ein gewisser sportlicher Aspekt und Vergnügen wohnte auch der Seehundjagd inne, die man lange Zeit an der Nordseeküste und den Inseln betrieb. Auf Norderney ging insbesondere der Hochadel diesem blutigen Sport gerne nach. Der spätere “Eiserne Kanzler” Otto von Bismarck zeigte als junger Mann dort sogar ein wenig Mitgefühl für das erlegte Tier: “Mit der See habe ich mich überhaupt sehr befreundet; täglich segle ich einige Stunden, um dabei zu fischen und nach Seehunden und Delphinen zu schießen, von letzteren habe ich nur einen erledigt; ein so gutmütiges Hundegesicht mit großen schönen Augen, daß es mir ordentlich leid tat.” So schrieb er in einem Brief an seine Schwester im September 1844.
Eindeutig um Sport handelt es sich beim Agility. Allerdings um eine für den Hund. Als Hundesportart wird das Beweglich- und Geschicklichkeitstraining für die Vierbeiner nämlich geführt. In wie weit sie auch den ganzen Menschen fordert, dass schildert Ostfriesland Reloaded in einem Extra-Beitrag dieser Ausgabe. Mit dem Hund wären wir zum Schluss wieder bei einem ganz archaischem Thema: der uralten Beziehungsgeschichte zwischen dem Menschen und seinem treuen Begleiter.
Auch die Jagdaufseher im ostfriesischen Watt setzen auf den Hund. Zwar ist die Jagd im ostfriesischen Wattenmeer seit den 80er-Jahren verboten, dennoch streifen immer noch Wattenjagdaufseher durch das amphibische Revier – allerdings ehrenamtlich. Daher seien die Hunde auch keine Diensthunde im eigentlichen Sinne und somit der Hundesteuer pflichtig. Das war jedenfalls das Ergebnis einer lebhaften Debatte, die der Norder Rat jüngst im Juni führte.
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Bogenschießen beim SV Aurich e.V. von 1666 (www.asv-aurich.de)
Trainingszeiten in der Freiluftsaison (Mitte April – Mitte September):
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Mittwoch für Erwachsene ab 16.00 Uhr für Ruheständler und Mitglieder mit Frühdienst, ab 18:00 Uhr für alle anderen Mitglieder
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Donnerstag für Kinder von 16.30 bis 18.00 Uhr für Kinder von 10 bis 14 Jahren und von 18:00 bis 20:00 Uhr für Jugendliche ab 15 Jahren
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Einzeltrainerstunden sind nach Absprache mit den Trainern möglich
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Schnuppertraining nur nach telefonischer Anmeldung am Donnerstag von 17:00 bis 18:00 Uhr
Für Anfänger jeden Alters bietet der Verein die passende Ausrüstung (Bogen, Tasche, Pfeile, Streif-, Arm- und Fingerschutz) auf Leihbasis an. Sonstige Materialkosten werden keine erhoben. Besuche von Meisterschaften und Turnieren sowie ein jährlich stattfindendes 3-tägiges Trainingslager gehören ebenfalls zum Sportangebot der Bogenabteilung.
Abt.-Leiter und Trainer C:
Klaus-Dieter Pauw
Falkenstr. 11
26603 Aurich
Tel: 04941-72673
mobil: 01577 153031
e-mail: k.pauw@asv-aurich.de