Da, wo heute duftende Rosen vor malerischem Backstein üppig blühen, ging es noch vor hundert Jahren weitaus weniger romantisch zu: Denn hier zogen einst die Inhaftierten des Berumer Amtsgerichtes ihre Runden. Das hatte – bis es 1932 mit dem Amtsgericht in Norden verschmolz – seinen Sitz in der uralten Vorburg des Schlosses Berum. Hier wurden über viele Jahrhunderte hinweg Urteile gesprochen und in Rechtsstreitigkeiten verbindliche Entscheidungen gefällt. Neben dem Sitzungssaal gab es die Schreiberei des Amtes Berum sowie kleine kojenartige Zimmer für Übernachtungen – denn manche der zu Gericht Geladenen hatten eine weite Anreise zu Fuß, mit Kutschen oder im Pferdesattel hinter sich.
Ein Gefängnis ist auf der Burg Berum schon seit 1475 nachgewiesen. Dieses befand sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts im ersten Stockwerk des mächtigen Turms im Norden der Vorburg, der bis in unsere Zeit noch seine massiven Mauern zur vorbeiführenden Berumer Allee wendet. Noch heute finden sich auf der Holztäfelung eingeritzte Namen und Jahreszahlen der früheren Inhaftierten. 1840 wurde der Gefängnisraum halbiert, um die Gefangenen nach Geschlechtern getrennt festhalten zu können. Auch in anderen Zimmern des lang gestreckten Baus kann man bis heute noch erkennen, dass sie zur Inhaftierung beschuldigter Bürger dienten. Dort wurden fingerdicke Eisengitter vor den Sprossenfenstern angebracht, ausbruchsicher bis heute.
Ein Relikt aus den alten Zeiten vom preußisch-ostfriesischen Berumer Amtsgericht ist auch der ehemalige Gefängnishof. Der lag von dicken Backsteinmauern umfasst im südlichen Teil der großen Burganlage. Hier hatten die Inhaftierten ihren Ausgang, hier zogen sie unter Bewachung auf kahlem Grund ihre Bahnen. Spaziert man heute durch den idyllischen Garten, kann man sich kaum noch vorstellen, wie trostlos es hier einmal ausgesehen haben muss. Die dicken Mauern, die heute das wohlige Gefühl eines riesigen „Outdoor“-Wohnzimmers unter freiem Himmel geben, riegelten das zirka zwölf mal vierzig Meter große Rechteck nach außen ab, versperrten den Weg nach draußen in die Freiheit.
Welch ein Kontrast! Wer heute durch das grüne Gartentor in den vom alten Backstein umrahmten Gartenhof schreitet, der tut dies als Ausdruck eines ungemein freien Willens. Hier fühlt sich keiner mehr eingesperrt. Ganz im Gegenteil: Ein Gefühl von Wärme und Schutz macht sich innerhalb der Mauern bei den Besuchern breit: ein windstilles nach Süden ausgerichtetes Paradies, das den Blick weit über den Garten hinaus zum Horizont mit jahrhunderte alten Baumriesen schweifen lässt: ein einzigartiges Tableau gezeichnet von der Natur. Zu diesem Idyll hat es Margit von Oppeln gemacht, die mit ihrem Mann Hans Heinrich von Oppeln 1970 die Burganlage erwarb. Es war 1995 als sie diesen Fleck der um ein Vielfach größeren Gartenanlage der Burg zu ihrem privaten Refugium erklärte und seit dem mit viel Liebe und Sachverstand zu einem malerischen Kräuter-, Bauern- und Rosengarten umgestaltet hat. Unter den vielen Paradiesen der GartenRoute Krummhörn wird er als „Lost Garden“ geführt, als ein Garten, der an Vergangenes erinnert, in diesem Fall an die Geschichte der Burg Berum in seiner Funktion als Amts- und Gerichtssitz.
Der kleine Wandelgarten im ehemaligen Gefängnishof ist aber auch eine Erinnerung an den riesigen Barockgarten, der sich ehemals über viele Hektar hinter der Burg in südlicher Richtung erstreckte. Von diesem Juwel absolutistischer Gartenkunst ist heute kaum noch etwas erhalten – bis auf das ehemalige Orangeriegebäude und schattige Alleen aus Linden, Eiben und Erlenbäumen, die die Einwohner von Hage heute gerne zu einem Spaziergang nutzen. Auch im malerischen Garten der Margit von Oppeln finden sich Elemente barocker Gartengestaltung – wie etwa die spiegelsymmetrische Anlage, die Rabatten aus Buchsbaum oder das mittig angelegte „Auge“ – wenn auch alles en miniature und in modernisierter Form. Barockgärten zeichnen vor allen Dingen eines aus: Damals kombinierte man gerne Schönes mit Nützlichen, vereinte schmückendes Grün mit Nutzpflanzen aus dem Gemüsegarten. So auch im Mauergarten der Burg Berum: Hier wechseln sich Kräuter für Küche und Gesundheit munter ab mit prächtig gedeihenden Zierpflanzen und üppigen Rosen.
Margit von Oppeln hat ihr privates Paradies längst öffentlich gemacht. So stehen beispielsweise „Kräuter und Kränze“ im Mittelpunkt einer Veranstaltung, die in 2017 dreimal stattfindet und die Prinzipien barocker Gartengestaltung ganz praxisnah vorstellt. Beim Besuch des malerischen Kräuter- und Bauerngartens steht der persönliche Nutzen im Vordergrund, im zweiten Teil überwiegt das Schöne: Hier kann man von der Floristikmeisterin Birgit Köster viel über die Kunst des Blumen- und Kranzbindens lernen. Und am Besten macht man es wie im Barock: Man kombiniert einfach beides. Wie wäre es mit einem kleinen, selbstgebundenen Kranz aus Kräutern?
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