Jetzt summt und brummt es wieder allerorten: Denn seit es draußen mehr als 10 Grad warm ist, sind die emsigen Honigbienen nach Winterpause und spätem Frost nun äußerst aktiv. Den ersten Flug des Frühlings haben sie schon lange hinter sich gebracht und sich von ihrer dicken Kotblase des Winters befreit. Auch die Imker haben ihre Bienenstöcke bereits eingehend untersucht und nach ihrer Königin gefahndet. So auch Jann Ihben aus Großheide. Der Imker, der seiner Leidenschaft nebenberuflich nachgeht, kümmert sich um insgesamt 8 Bienenstöcke, die er nach den nachhaltigen Richtlinien des Bioland-Siegels betreut. Den Bienen lässt er beispielsweise 20 Prozent des Honigs zur eigenen Nahrung im Stock und “presst nicht das Letzte aus ihnen heraus”, wie er erläutert.
Vor allen Dingen suchte Ihben Anfang Mai jedoch nach neuen, jungen, noch nicht geschlüpften Königinnen. Die sind an der anders geformten Zelle zu erkennen, die einen größeren, ovalen Zuschnitt hat als das übliche kleine Sechseck. Denn die Gefahr ist groß, dass die alte Königin angesichts der aufkommenden Konkurrenz plötzlich unkontrolliert aus ihrem Stock fliegt und mit einem großen Teil der Arbeitsbienen ausschwärmt, um sich dann anderswo niederzulassen. Sobald er eine junge Königin findet, setzt er diese selbst unter kontrollierten Bedingungen um – der Beginn eines neuen Stocks. Für Bienenköniginnen gibt es eine spezielle Schlupfjahrmarkierung. Dabei handelt es sich um kleine farbige Plättchen, die auf dem Hinterteil angebracht werden und das jeweilige Geburtsjahr markieren. Alle fünf Jahre wiederholt sich die Reihenfolge der Farbe. Der Jahrgang 2017 hat die Farbe Gelb.
Bevor Ihben seinen Bienenstock öffnet, zieht er den weißen Schutzanzug und den typischen Imkerhut mit Schleier an und nebelt die wachsamen Arbeiterinnen erst ein Mal mit dem so genannten “Smoker” gehörig ein. Der Rauch, den Imker bei der Kontrolle des Bienenvolks einsetzen, dient im Wesentlichen dazu, die Bienen ruhig zu stellen. Ihben nutzt dazu Cannabis, den man abgepackt ganz legal im Handel für solche Imkerzwecke kaufen kann.
Ein Bienenvolk besteht immer aus drei Wesen: einer einzigen Königin als Mutter, 8.000 – 40.000 Töchtern (die Arbeitsbienen) und 500 – 1.000 Söhnen (die Drohnen). Sie lassen sich optisch gut voneinander unterscheiden. Die Königin hat ein wesentlich ausgeprägteres und längeres Hinterteil als eine gewöhnliche Arbeiterin. Die männliche Drohne wirkt insgesamt breiter als die anderen Artgenossen.

Ende Mai, Anfang Juni, beginnt die wahrscheinlich aufregendste Phase im Leben einer Bienenkönigin: ihr Hochzeitsflug. Etwa sechs bis zehn Tage, nachdem eine junge Königin geschlüpft ist, fliegt sie zu einem zentralen Drohnensammelplatz, an dem bis zu 20.000 geschlechtsreife männliche Honigbienen zur Paarung warten. Die Königin paart sich nur einmal in ihrem Leben, dafür aber gleich mit bis zu 15 Partnern. Vom Liebesakt mit den geschlechtsreifen männlichen Drohnen behält sie bis zu fünf Millionen Spermien in einer Sammelblase zurück. Das muss dann aber ein ganzes Königinnenleben lang reichen. Nach der multiplen Paarung kehrt sie in ihren Stock zurück und ist fortan mit dem Legen von Eiern und Nachkommen beschäftigt.
Für die männliche Drohne geht der Honeymoon mit der Königin schlimmer aus: nach dem luftigen Liebesakt, bei dem der Drohn dem majestätischen Weibchen im Flug sein gesamtes Sperma spendet, segnet er das Zeitliche. Er gibt quasi alles: seinen kompletten Samen und sein Leben. Die einzige Lebensaufgabe eines Drohns ist die Begattung einer jungen Königin. Von dieser Bestimmung gibt es für ihn kein Entkommen: Drohnen, die nicht zur Paarung gelangen, werden später aus dem Stock getrieben.
Drohnen entstehen aus Eiern, die die Königin bei der Eiablage nicht mit Samen befruchtet – eine Art von Jungfernzeugung. Entscheidet sie sich, was weitaus häufiger geschieht, für eine Befruchtung des Eis mit Samen, entstehen daraus Arbeiterinnen. Diese fleißigen Bienen werden von der Bienenkönigin durch die ständige Abgabe von Pheromonen jedoch in ihrer Weiblichkeit gehemmt. Ob der weibliche Nachwuchs in einem Stock Arbeiterin oder gar Königin wird, das wird schon im Larvenstadium durch die Ernährung und Pflege entschieden. Zukünftige Königinnen erhalten das berühmte Gelée royale als Kraftfutter.
Nur die weiblichen Honigbienen haben einen Giftstachel. Die Arbeiterinnen schützen damit ihre Königin und den Stock vor drohender Gefahr. Der Stachel sitzt am Hinterleibsende und ist mit einer Giftdrüse verbunden. In Ruhestellung ist er im Körperinnern verborgen, beim Stechvorgang schnellt er jedoch hervor und pumpt Gift in den Körper des Feindes. Bei Honigbienen ist der Stachel mit Widerhaken versehen, so dass er in Warmblütern wie uns Menschen stecken bleibt. Das führt zwar zum Tod der stechenden Biene, sorgt aber auch dafür, dass noch lange nach dem Stich Gift in das Fleisch gelangt und eine maximale Giftdosis injiziert wird. Hat eine Biene einmal zugestochen, empfiehlt es sich, rasch die Flucht zu ergreifen. Ein Ratschlag, der tunlichst zu befolgen ist. Denn sonst starten, durch den Geruch angelockt, die nächsten Angreiferbienen: Attacke!
Im allgemeinen sind die lieben Kleinen, vom Cannabis umnebelt, aber recht friedlich. Obwohl sie seit Jahrtausenden den Menschen begleiten, sind Honigbienen jedoch juristisch nicht als Haustier anerkannt, da sie frei fliegen und sich nicht zähmen lassen. Die Mehrzahl der Bienenstände befinden sich heute nicht mehr in bäuerlichen Betrieben. Dennoch ist die Bienenzucht als Tierzuchtzweig ein Teil der Landwirtschaft. In Deutschland sind momentan 115.000 Imker im Deutschen Imkerbund (D.I.B.) organisiert, die rund 800.000 Bienenvölker halten.
Laut dem D.I.B. gehören die deutschen Imker mit ihren Bienen zu den fleißigsten auf der Welt: “Jedes Bienenvolk produziert eine durchschnittliche Erntemenge von 20–30 kg Honig. Zusammengerechnet ernten die deutschen Imker 15.000–25.000 t Honig pro Jahr – das entspricht etwa 20 % des Verbrauchs in Deutschland.” Der meiste bei uns verkaufte Honig ist allerdings ausländischer Herkunft. Insbesondere China ist hier ein wichtiges Importland mit fast 70 Prozent. Aber auch südamerikanischer Honig ist in deutschen Supermärkten häufig zu finden.
Den direkten Nutzen der Bienen ernten wir jedes Jahr in leckerem Honig, der indirekte Nutzen der fleißig umherfliegenden Flügeltiere ist jedoch um einiges bedeutender wie auch Deutschland summt!, eine Initiative zur Förderung der Bienenzucht, ausführt: “Rund 80 Prozent aller Pflanzenarten in den gemäßigten Breiten sind auf eine Fremdbestäubung durch Insekten angewiesen. Davon werden wiederum etwa 80 Prozent durch Wild- und Honigbienen bestäubt. Die weltweite Wirtschaftsleistung aller bestäubenden Insekten wird auf etwa 153 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. In Deutschland erreicht der jährliche Nutzwert der Bestäuberinsekten etwa vier Milliarden Euro.”
Die Gefahren, die diesem wertvollen ökologischen System drohen, beleuchtet Ostfriesland Reloaded in einem Spezialbeitrag zum Bienensterben und dem Kampf der Imker auf den Nordsee-Inseln gegen die Varroamilbe.
Hier sei nur noch kurz ein ganz besonderer Bienenschwund erwähnt: Seit geraumer Zeit vermelden Imker den Diebstahl von Bienenstöcken aus ihrem Bestand, wie der NDR jüngst über vermehrte Fälle in Niedersachsen berichtete. “Wer macht den sowas?” fragte denn auch die FAZ kürzlich angesichts des Bienenklaus in Hessen. Nach den hohen Winterverlusten vergreifen sich da wohl nicht ganz so loyale Imker am Besitz ihrer Kollegen. Die machen es den Langfingern manchmal auch zu einfach, wie der ostfriesische Imker Hinrich Becker, selbst nicht betroffen, meint: “Oft sind die Bienenstöcke im Raps noch mit Gurten festgezurrt. Was eigentlich als Schutz vor dem Wind gedacht ist, damit der Deckel nicht abhebt, eignet sich geradezu ideal für den Abtransport.”
Nicht nur die Bienen machen sich rarer, auch bei den Imkern klappt es mit dem Nachwuchs nicht so recht. Die Statistiken des D.I.B. sprechen eine deutliche Sprache:
Von mehr als 108.214 Imkern im Verband waren Ende 2016 nur 1.922 unter 18 Jahren. Der Landesverband Weser-Ems mit Sitz in Oldenburg, zu dem auch alle organisierten ostfriesischen Imker gehören, hat gerade einmal gut 70 junge Imker im Verband. Das ist mit unter 2 Prozent eine ausgesprochen geringe Quote verglichen mit einer Zahl von insgesamt etwa 3.900 Imkern, die von der Organisation in der Weser-Ems-Region und in Bremen unterstützt werden. Der Zunft droht Überalterung.
Dennoch stellen einige Imker ein zunehmendes Interesse besonders von jungen Menschen an der Imkerei fest, die nicht zwangsläufig im Verband organisiert sind. Auch zeigen sich vermehrt Ansätze, der Imkerei ein moderneres, frisches Auftreten zu geben. Hier ist sicherlich die beispielhafte Initiative Deutschland summt! zu nennen, die 2010 in Berlin ins Leben gerufen wurde und heute Städte und Gemeinden in ganz Deutschland hilft, Menschen jeden Alters für die Imkerei zu begeistern und Bienen neue Lebensräume zu schaffen. Ebenfalls begeisternd ist ein illustriertes Buch, das zu den zauberhaftesten Neuerscheinungen gehört: “Bienen”, ein Sachbilderbuch für Kinder und Erwachsene des Polens Piotr Socha. Das hochwertige Buch, für 24,95 Euro im Gerstenberg Verlag erschienen, wird mit Auszeichnungen überschwemmt, wurde beispielsweise 2017 mit dem “Leipziger Lesekompass” und dem EMYS-Sachbuchpreis (von ProWissen und GEOlino) ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. So geht Nachwuchsförderung!
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