Als das Teleskop in den Niederlanden erfunden wurde, war das 1608 ein technologischer Meilenstein für die Astronomie. Ausgerechnet im feuchten Ostfriesland wurde mit dem neuen Instrument durch Johann Fabricius eine der größten Entdeckungen zur Sonne gemacht. Ein junger Mann von nur 24 Jahren, der am 27. Februar 1611 im ostfriesischen Osteel zum erstenmal in der Weltgeschichte Sonnenflecken beobachtete und dieses auch publizierte. Noch ihm gleichen Jahr veröffentlichte er seine Beobachtungen und gilt damit als ihr “wahrer Entdecker”. Einer ihrer Entdecker muss man wohl korrekt sagen. Denn neben seinem Vater David Fabricius ist dieses den Astronomen Galileo Galilei, Christoph Scheiner und Thomas Harriot fast zeitgleich oder sogar ein wenig früher an anderen Orten auch gelungen. Johann Fabricius war aber der erste, der diese Entdeckung schriftlich für die Wissenschaftswelt der damaligen Zeit festhielt. Und das zählt bis in alle Ewigkeit.
„De Maculis in Sole observatis, et apparente earum cum Sole conversione, Narratio etc.” heißt sein kleines Druckwerk. Es erschien in Wittenberg und ist 22 Seiten lang. Eine darin enthaltene Widmung für den ostfriesischen Grafen Enno III. ist auf den 13. Juni 1611 datiert. Fabricius schildert in dem Buch seine Entdeckung mehrerer unterschiedlich großer, dunkler, auf der Sonne haftender Flecken. Aus ihrer Wanderung im Beobachtungszeitraum schloss er, dass sich die Sonne um ihre Achse drehe. Seitdem ist die Sonne nicht mehr so makellos wie sie nach antiker Weltsicht sein sollte.
Obwohl ihn der große Astronom Johannes Kepler, mit dem er wie sein Vater korrespondierte, als Erfinder der Sonnenflecken anerkannte, geriet seine Leistung in Vergessenheit, und wurde auch von seinen Konkurrenten später einfach ignoriert. Denn Johann Fabricius starb jung, gerade mal dreißig Jahre alt, und vollkommen unerwartet am 10. Januar 1617 (20. Januar nach heutigem Kalender) auf einer Reise von Wittenberg nach Basel – in Dresden. Er wie auch sein nur vier Monate nach ihm verstorbener Vater konnten sich nicht mehr um die Reputation ihres Werkes kümmern.
Am 8. Januar 1587 geboren war Johann Fabricius das Älteste von acht Kindern. Er genoß eine sehr gute Schulbildung, besuchte verschiedene Universitäten im In- und Ausland. Obwohl Medizinstudent war er wie sein Vater ein begeisterter und begabter Astronom und Astrologe. Wie vom Vater existiert auch von Johann Fabricius kein Bild, das uns eine Vorstellung gibt von diesem Ausnahmetalent der frühen Astrophysik.
Vermutlich hatte Johann das neuartige Teleskop in seiner Zeit als Student im niederländischen Leiden erworben. Im kleinen ostfriesischen Ort Osteel, gestern wie heute vollkommen abseits der Wissenschaftsmetropolen gelegen, wurde von nun an mit der damals fortschrittlichsten Technologie, die der Astronomie zur Verfügung stand, gearbeitet. Menso Folkerts, Professor für Geschichte der Naturwissenschaft, erläuterte dem Deutschlandfunk die Zusammenarbeit zwischen Vater und Sohn:
“Die Entdeckung der Sonnenflecken ist eigentlich von beiden gemeinsam gemacht worden, allerdings ist der Sohn die Person gewesen, der in der Lage war, das Fernrohr zu benutzen. Seine Publikation ist im Jahr 1611 erschienen, in Wittenberg. Es ist die erste Publikation überhaupt über die Sonnenflecken. Leider ist dieses Buch nicht sehr stark gelesen worden. Man hätte es lesen können, jedenfalls die Wissenschaftler. Es ist natürlich auf Latein geschrieben, und das war die übliche Sprache damals.”
Das ostfriesische Wetter zur damaligen Kleinen Eiszeit – äußerst herb, feucht und mit viel Nebel in den kühleren Jahreszeiten – war für Vater und Sohn ein großes Glück. Der diesige Himmel wirkte wie ein Filter beim Blick durch das Teleskop in die Sonne. Sie wären sonst womöglich erblindet. Die beiden machten ihre Sonnenbeobachtungen mit dem Fernrohr zunächst ohne Schutz der Augen. Später benutzen sie eine Art Lochkamera, die das Sonnenbild in einem verdunkelten Zimmer durch eine enge Öffnung auf einem Bogen Papier auffing.
Heute wissen wir, dass Sonnenflecken dunkle Stellen auf der sichtbaren Sonnenoberfläche (Photosphäre) darstellen, die kühler sind und daher weniger sichtbares Licht abstrahlen als der Rest der Oberfläche. Sie sind auch ein Maß für die Sonnenaktivität unseres Zentralgestirns, die einem Elfjahres-Zyklus unterliegt und das Klima auf der Erde wie Wassertemperaturen und Niederschlag beeinflusst.
Mit den zwei Generationen Fabricius und deren fast zeitgleichem Tod in den ersten Monaten des Jahres 1617 war diese überragende Astronomen-Dynastie aus Ostfriesland nach kurzer Blütezeit auch schon wieder ausgestorben. Aber in der Gegenwart gibt es noch viele leidenschaftliche Astronomen in der Region wie etwa den Astronomie Club Ostfriesland e.V. in Wiesmoor, der in diesem Jahr zum zwölften Mal vom 12. bis 15. Oktober die Astronomietage Ostfriesland (ATO) veranstaltet. Auch das Planetarium in Leer ist eine Anlaufstelle für Astronomie-Experten. Es ist am Institut für Seefahrt in der Fachhochschule beheimatet, hat aber nicht regelmäßig öffentliche Führungen. Die Sternwarte Norderney ist schließlich die einzige auf einer Insel, die regelmäßig Führungen und Beobachtungen durch ein leistungsstarkes Teleskop anbietet.
Zum guten Schluss an dieser Stelle noch ein aktuelles Bild vom Sternenhimmel über Ostfriesland im Mai. Werfen Sie doch nachts mal einen Blick nach oben!
***
Der digitale Hut: Ostfriesland Reloaded gefällt mir!
Ostfriesland Reloaded ist nicht kommerziell. Durch den Verzicht auf Werbung können Sie sich ganz auf den Inhalt konzentrieren: auf spannende Themen, unterhaltsame Texte und faszinierende Bilder. Gefällt Ihnen Ostfriesland Reloaded? Dann können Sie freiwillig dafür 1 Euro spenden - oder auch mehr. Die Höhe können Sie direkt über die Pfeile steuern. Vielen Dank für Ihre Wertschätzung.
€1,00