Wie ein silbernes Ufo, das auf einer Insel gelandet ist, sieht es von Ferne aus: das Energie-, Bildungs- und Erlebniszentrum in Aurich. Es gehört zu den modernsten Einrichtungen seiner Art und ist wegweisend bei der Vermittlung von Wissen rund um alle Aspekte erneuerbarer Energien. Denn “Bildung” ist der eigentliche Kern um den sich hier ellipsenförmig alles dreht – auch wenn man es ihm von Außen mit seinem großen EEZ-Fensterlogo nicht direkt ansieht. Die stammen noch vom ursprünglichen Architektenentwurf, der für eine viel kleinere Fläche und ein wesentlich reduzierteres Konzept eines reinen Energie- und Erlebniszentrums (EEZ) am Ems-Jade-Kanal vorgesehen war. Die “Bildung” kam erst später mit dem neuen, größeren Standort im Norden der Stadt hinzu. Sie ist heute das eigentliche Alleinstellungsmerkmal dieser großartigen Institution im Herzen Ostfrieslands. Der alte Name blieb – schon aus architektonischen Gründen – und so wäre auch die immer wiederkehrende Frage beantwortet, warum denn das “B” in der Abkürzung fehle.
Doch bevor es um “B” wie Bildung geht, steht das “A” wie Architektur im Vordergrund. Sie stammt vom ABT Architekturbüro Tabery aus Bremervörde, die ihren Wettbewerbsentwurf der neuen Raumsituation anpassten und schließlich einen gewaltigen Komplex von mehr als 37.000 umbauten Kubikmetern auf eine künstlich angelegte Insel setzten. Wie eine futuristische Wasserburg liegt das EEZ nun am Rande des Auricher Industriegebiets Tannenhausen, umgeben von einem gestuft angelegtem Gewässer und nur über Brücken zu erreichen. Auch der Weg in das große, sichelförmige Hauptgebäude – eines von insgesamt vier Gebäudesegementen, die sich über der “Energie-Insel” erheben – führt über eine stählerne Brücke.
Der Blick auf den Grundriß des EEZ erinnert in seiner Ellipsenform und der mittigen Symmetrieachse ein wenig an einen überdimensionalen Käfer. Dahinter steckt auch ein sehr von der Natur inspirierter Entwurf: Kreisbahnen von Elektronen um Atomkerne oder die elliptischen Bahnen der Planeten um die Sonne – sie alle standen Vorbild für die vielen Bögen, Kreise und Ellipsen, die dem Besucher im Äußeren wie im Inneren immer wieder begegnen. Am Auffälligsten ist dieses Gestaltungsprinzip im Ausstellungsbereich mit den interaktiven Erlebnisstationen der Energie-Zukunft nachzuspüren, die Groß und Klein mit den unterschiedlichsten Energieformen vertraut machen und mit einem Energie-Spiel zum ganz persönlichen Energiewandel ermuntern.
Auf alle Sinne und Emotionen setzen die Veranstalter im Energie-Turm, der sich markant aus der silbernen Hülle nach oben schiebt. Eine überdimensionale 360-Grad-Projektion lässt einen förmlich eintauchen in den Ursprung alles Lebens auf der Erde, in die gewaltigen Kräfte und Energien der Natur. Turm wie die komplette Außenhaut des EEZ sind mit Rauten aus Alublech überzogen, 73.000 Stück insgesamt. Sie geben dem Gebilde seine charakteristische silbern glänzende “Fischhaut”. Auch im Innern besticht das EEZ-Gebäude durch innovative Technik: Heiz- und Kühlelemente, Stromschienen zur Elektroversorgung und weitere technische Medien wurden unter die Decke gelegt. Eine äußerst praktische Lösung, geben sie doch dem darunter liegenden Bereich für Sonderausstellungen die notwendige Flexibilität und direkten Einblick und Zugriff auf die zentralen Elemente der Haustechnik.
Selbstverständlich, dass das EEZ komplett durch regenerative Energien versorgt wird: Eine Biogasanlage und ein Blockheizkraftwerk liefern Wärme und Strom, ergänzt um eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Hauptgebäudes. Eigentlicher Clou des Konzeptes sind aber die Deckenstrahlungselemente, die im Winter Wärme ins Gebäude bringen, im Sommer aber auch zur Kühlung genutzt werden. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sorgt für die nötige Frischluft.
Vernetzung, Forschung und Bildung: Der Energie-Thinktank des Nordens
Ist die Architektur schon spektakulär, so ist das inhaltliche Konzept des EEZ einzigartig. Es ist eben nicht nur eine – äußerst sehenswerte – Ausstellung und Einrichtung für die allgemeine Öffentlichkeit, für die Einwohner Ostfrieslands und die vielen Touristen der Urlaubsregion. Es ist eine riesige Denkfabrik, die sich um die Bildung von Schülern aller Altersstufen kümmert, um die fundierte Ausbildung zukünftiger Techniker und Experten, um die Erwachsenenbildung und um die Vernetzung aller zum Thema Energie relevanten Gruppen.
Bauherr und Betreiber des 2015 fertig gestellten EEZ ist die Stadt Aurich, vertreten durch die städtische Bäder- und Hallenbetriebsgesellschaft. Das EEZ hat sechs starke Partner, darunter den Marktführer bei Windenergieanlagen, die ebenfalls in Aurich ansässige Enercon GmbH. Dazu kommen das Kompetenzzentrum Energie, das Regionale Pädagogische Zentrum, das Studienseminar Aurich, der Verkehrsverein Aurich/Ostfriesland, das Klaus Bahlsen Zentrum nachhaltige Ernährung sowie das Zentrum Natur und Technik.
Diese einmalige Konstellation sorgt für ein Bildungsangebot in Sachen Energie, das in Deutschland seinesgleichen sucht: Mit dem Experimentarium steht ein regelrechtes Lernlabor für naturwissenschaftliche Fächer bereit mit einer technischen Ausstattung auf Hochschulniveau. In den begehrten MINT-Fächern Biologie, Chemie und Physik kann hier nach Herzenslust und Lehrplan experimentiert werden. Das EEZ steht den Fachlehrerinnen und -lehrern in der Vor- und Nachbereitung der Schulstunden beratend zur Seite und unterstützt bei der praktischen Umsetzung im Labor. Erster Pilotanwender war im Schuljahr 2015/2016 das Ulricianum Aurich, seit Mitte 2016 steht es auch anderen Schulen zur Verfügung.
Ostfrieslands Beitrag für die Zukunft
Die Enercon GmbH ist der größte Mieter und Kooperationspartner des EEZ. So hat die Firma auf dem Inselgelände ihr Besucherzentrum installiert. Von einem eigenen Infopoint starten hier ebenfalls die Betriebsbesichtigungen in die benachbarte Rotorblattfertigung der riesigen Windenergieanlagen. Im EEZ hat Enercon auch seine modernen Ausbildungswerkstätten für Metall, Elektromaschinenbau und Elektrotechnik eingerichtet, die über Laubengänge und Glasfronten für die Besucher des Zentrums sogar direkt einsehbar sind. Auch im Innenhof des EEZ dreht sich alles um Wind. Blickfang und Attraktion ist die Originalgondel einer Windenergieanlage vom Typ E-115, die Enercon dem EEZ zur Verfügung gestellt hat und deren Inneres begehbar ist.
Wer noch nicht da war, dem empfiehlt Ostfriesland Reloaded unbedingt einen Besuch! Vor allen Dingen die ultramodernen Bildungsangebote dieser wohl einmaligen Institution sind beeindruckend. Natürlich profitiert Platzhirsch Enercon von dieser Einrichtung in vielfältiger Weise, aber dafür trägt er auch einen großen Teil der Kosten. Natürlich musste die Stadt Aurich erst einmal ordentlich investieren und ja, vielleicht waren die kalkulierten Besucherzahlen anfangs zu überhöht angesetzt. Doch allen Kritikern sei ein bißchen mehr visionäre Ausdauer empfohlen: Das EEZ ist Ostfrieslands Beitrag für die Zukunft.
Das sympathisch auch einen Bogen in die Vergangenheit schlägt: Denn die aktuelle Sonderausstellung, die das EEZ gemeinsam mit der Ostfriesischen Landschaft präsentiert, beschäftigt sich mit den archäologischen Funden, die im Industriegebiet Aurich-Nord während seiner Errichtung gemacht wurden. “Vergangene Zeit unter moderner Welt” ist noch bis zum 3. Mai 2017 zu sehen.
____________________________________________________
Ein Gedanke zu „Zukunft Erde: Das EEZ, eine silberne Denkfabrik in Sachen Energie“