Er wurde mit dem Schwert enthauptet und nachts in aller Eile in Wittmund einfach verscharrt: Johann von Marenholz. Sein Fall ging als Justizmord in die ostfriesische Geschichte ein. Die Frauen waren sein Schicksal, so sah er es, als er im Alter von 34 Jahren zum Tode verurteilt wurde. Vor allen Dingen war es aber brutale und knallharte Machtpolitik, auf derem Altar der hochrangige Regierungsbeamte Ostfrieslands am 21. Juli 1651 geopfert wurde. Denn es ging um nichts weniger als die Herrschaft über Ostfriesland.
Ein Bild existiert leider nicht mehr von ihm, dafür aber die Überlieferung dieser unglaublichen Geschichte:
Nach seinem Studium in Rostock, Groningen und Paris kehrt der begabte von Marenholz in seine Heimat Ostfriesland zurück und wird dort der Hofmeister des jungen Grafen und Thronfolgers Enno Ludwig. Zur standesgemäßen Ausbildung des künftigen Herrschers geht es an den Hof der niederländischen Nachbarn nach Den Haag.

Seine Erziehungs- und Bildungsaufgaben bringen ihn in Kontakt mit Elisabeth von Ungnad. Die ehemalige Geliebte des Grafen von Oldenburg ist wieder zurück in den Schoss ihrer Familie nach Ostfriesland gekehrt und hat sich dort am Hof von Aurich mit der Hessin Juliane von Ostfriesland angefreundet, der Gattin des amtierenden Regenten Ulrich II. Nach 1640 gesellt sich zu dem Damenduo dann Johann von Marenholz. Der eher ostfriesisch herb veranlagte Graf Ulrich findet absolut kein Gefallen an dem galanten Freundeskreis seiner Frau: „Ich mag den Marenholz nicht“, soll er gesagt haben.
Dieser war „wolgestallt, sprachsam, höflich, guten Verstandes, hatte einige doch nicht sonderliche Wissenschaft, redete Französisch“ wie sich ein Zeitgenosse, Geheimrat Reinhold Bluhm, später erinnert. Von Marenholz heiratet 1646 die Hofdame Elisabeth von Ungnad, doch Graf Ulrich ist der Kontakt zu seiner Gattin Juliane wohl ein wenig zu eng und nicht ganz geheuer.

Er entlässt ihn als den Hofmeister seines Sohnes und befördert ihn beruflich zum Drosten und damit Amtmann von Berum, aber gleichzeitig auch ein wenig ins räumliche Abseits. Seiner Gattin spendiert er in genau entgegen gesetzter Richtung, nämlich östlich von Aurich, in der Sandhorst, ein neues Lustschloss zu ihrem Vergnügen. Ende 1648, am 1. November, stirbt Graf Ulrich II.
Die Witwe Juliane ist 42 Jahre und bestens versorgt. Ihr verstorbener Ehemann hat sie in einem Testament, an dem auch von Marenholz mitgewirkt hat, großzügig ausgestattet, und sie auch zum Vormund ihrer noch unmündigen Söhne gemacht. Diese schickt sie zur weiteren Bildung weit fort von Aurich. Sie übernimmt an Stelle des noch zu jungen Thronfolgers Enno Ludwig die Regierungsgeschäfte und macht von Marenholz sogleich zu ihrem Minister. Alle im Land, die Bevölkerung, die Räte in Aurich, die Standesvertretungen in Emden sind empört. Diese Hessin auf dem Thron! Unfähig der politischen Geschäfte und dann noch das Ehepaar von Marenholz als ihre Berater: er von altem Lüneburger Adel, sie von böhmischer Herkunft. Welch eine gefährliche Menage à Trois aus Fremden, die über Ostfriesland herrschen!
Juliane und ihre beiden Ratgeber verlegen den Regierungssitz aus der Stadt nach Schloss Sandhorst. Dort sind sie ungestört vor allen Anfeindungen und können sich ganz auf die neue Aufgabe, das Regieren des Landes konzentrieren – oder in vollen Zügen ihr Leben genießen und „ungestört dem süßen Leben frönen“. Schließlich handelt es sich ja um ein Lustschloss. Die Gerüchteküche brodelt. Damit ist 1651 ganz plötzlich Schluss. Im Handstreich entreißt ihr der älteste Sohn Enno Ludwig am 11. Mai nach fast drei Jahren die Regierungsgeschäfte. Was dann folgt, ist ein Rachefeldzug und Familiendrama ohne Beispiel:
Enno Ludwig, zu diesem Zeitpunkt erst 18 Jahre alt, lässt den Geheimrat Johann von Marenholz, den langjährigen Berater und Vertrauten seiner Mutter, verhaften, in einem Schauprozess zum Tode verurteilen und am 21. Juli 1651 in Wittmund mit dem Schwert enthaupten. Was muss er seinen ehemaligen Hofmeister, Erzieher und Begleiter seiner Jugendjahre gehasst haben, um sich so brutal an ihm zu rächen? Wie sehr muss er seine Mutter verachtet haben? Für den Schnellprozess und seinen abschreckenden Ausgang fehlt jedenfalls jede rechtliche Handhabe und Grundlage. Das Verfahren gegen von Marenholz findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, der Richter ist gleichzeitig der Ankläger, das zusammen gewürfelte Gericht tagt nicht in ordentlicher Sitzung, sondern auch privat und bei Nacht.
Nur unter Androhung von Folter und der Aussicht auf Gnade wird dem Angeklagten das entscheidende Geständnis abgepresst, mit der Gräfin von Ostfriesland ein außereheliches Verhältnis gehabt zu haben. Die Exekution wird nur drei Tage nach dem Urteil und unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt. Er wird auf dem Saal der Burg zu Wittmund enthauptet. Auch nach den Maßstäben der damaligen Zeit sind das absolut irreguläre Maßnahmen, die Enno Ludwig später einen langjährigen Prozess beim Reichshofrat eintragen wegen Rechtsmissbrauchs.
Die Hinrichtung des Johann von Marenholz war auf jeden Fall ein politischer Mord. Auch wenn Zeitgenosse Bluhm in der Erinnerung an seine Zeit am Hofe dem Verurteilten auch durchaus ein Stück persönliche Mitschuld gibt:
„Sein Glück würde ihn wol gesuchet haben, hätte er nicht die Armuth so sehr gescheuet, dass er sagte: Er müste ein reiches Weib haben, hätte sie gleich nur ein Auge! Diß Lockbrod hat ihn in Unglücks-Stricke gezogen.“
***
PS: Die Mutter von Johann von Marenholz konnte auf kaiserlichen Befehl aus Wien ihren Sohn ein Jahr später wieder in Wittmund ausgraben lassen. Leib und Kopf wurden in feierlicher Prozession und mit Geläut im Familiengrab in der Sankt Ansgari-Kirche von Hage dann ein zweites Mal bestattet.
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