Spieglein, Spieglein an der Wand …

… und definitiv auch die Schönste im ganzen Land war die Schlossanlage von Berum. Sie gehörte mit ihrer prächtigen barocken Innenausstattung zu den repräsentativsten Residenzen, die Ostfriesland im 18. Jahrhundert zu bieten hatte. Das war das Verdienst von Fürstin Christine Charlotte, die als junge Witwe 1665 mit zwanzig Jahren für ihren gerade erst geborenen Sohn Christian Eberhard die vormundschaftliche Regentschaft übernahm. Lange 25 Jahre sollte die Prinzessin aus dem Hause Würrtemberg und geboren in Stuttgart die Regierungsgeschäfte Ostfrieslands führen. Das tat sie ganz im Geiste des Absolutismus, der sie in ständigen Konflikt mit den ostfriesischen Ständen brachte. Zum Selbstverständnis des Adels jener Zeit gehörte die opulente und repräsentative Ausstattung der Regierungssitze. Auch wenn Christine Charlotte natürlich nicht die Möglichkeiten eines Sonnenkönigs von Frankreich hatte, so baute sie doch mit großem Engagement das Schloss Berum, ihren späteren Witwensitz, aus.

Als die bisherige Bewohnerin des Berumer Schlosses, Justine Sophie, Prinzessin Barby und Witwe des Fürsten Enno Ludwig, 1677 starb, zog Christine Charlotte von der Manninga-Burg in Pewsum, die immer dann von den Witwen der Cirksena bewohnt wurde, wenn Berum belegt war, um. Da das Schloss Berum aber zu klein für sie und ihren Hofstaat war, musste sie, die bis 1690 auch über Ostfriesland regierte und viele ihrer Amtsgeschäfte von hier erledigte, den Schlossbau erweitern. So erhielt das bisher dreiflügelige Gebäude einen vierten Flügel zur Südseite. Seit 1680 erhob sich in Berum daher ein rundum zum Viereck geschlossener Bau, drei Stockwerke hoch, direkt aus einem es von allen Seiten umgebenen Wassergraben. Der Zugang auf das Schlossgelände führte nicht mehr durch den wehrhaften Nordturm der Vorburg, sondern durch ein barockes Hoftor, das mit den Wappen Baden-Würrtembergs und den Initialien von Christine Charlotte geschmückt war:  zwei ineinander verschränkte „C“s, wie sie Jahrhunderte später Coco Chanel ebenfalls zu ihrem Markenzeichen machte.

Wir haben heute einen recht guten Eindruck davon, wie prachtvoll man damals am Hofe lebte. Das liegt vor allen Dingen daran, dass aus dieser Zeit zwei Inventare vorhanden sind, also Bestandslisten von Einrichtung, Mobiliar und Gemälden. Das eine wurde nach dem Tod Christine Charlottes 1699 erstellt. Beim anderen handelt es sich um eine Beschreibung der gesamten Burganlage, die im Sommer 1735 verfasst wurde. Die Historikerin Gretje Schreiber aus Norden kennt sich bestens mit den beiden Inventaren aus, gilt als eine der profundesten Kennerinnen der überlieferten Schriften zur Burg Berum. Was sie berichten kann und was in den Quellen über das Schloss Berum belegt ist, geben ein anschauliches Bild von der Eleganz und Farbenpracht jener Tage.

Weit über 50 Säle und Räume gab es im Schloss Berum, einige davon sind sogar mit Namen überliefert: so gab es beispielsweise die „FürstinnSchlafCammer, „Beste Audience“ oder „Ihre Durchl. deß Fürsten Audience“. Besonders prächtig waren die Räume ausgestattet, zu denen die Öffentlichkeit Zugang hatte: So schmückten den Audienzsaal der Fürstin ein Fußboden mit einer reichen Vertäfelung exotischer Hölzer. In der Mitte war wieder das Wappen ihrer Heimat eingearbeitet und in den vier Ecken auch das doppelt geschlungene „C“ wie bereits beim Barocktor beobachtet. Ein beliebtes Motiv der Fürstin, wie es scheint. Denn das finden wir auch in der so genannten „Blumenkammer“, einen Raum, den Christine Charlotte selbst bewohnte. Dessen Wände waren mit sieben Gobelins geschmückt, die oben und unten eingerahmt waren von Blumenstreifen.

Auf die Wandgestaltung legte man überhaupt viel Wert. So waren Wände des Schlosses mit kostbar bemaltem Stoff bespannt oder mit Holz aufwändig getäfelt. Berühmt waren auch die vergoldeten Ledertapeten, die zu dem Besten gehörte, was Ostfriesland in diesem Metier zu bieten hatte. Wertvolle Gemälde, prächtige Spiegel und riesige Wandteppiche schmückten ebenfalls die Wände. Dazwischen zogen kunstvoll gestaltete Kamine die Blicke auf sich. Wandbilder von riesigen Ausmaßen – 15 Fuß in der Höhe und bis zu 26 Fuß in der Breite – beeindruckten in den repräsentativen Räumen die Besucher. Sehr viel Gold war überall zu sehen: als Rahmen der vielen Gemälde und Spiegel, als Verzierung von Öfen und Kaminen oder als Vergoldung von Stühlen und Tischen. Darüber hinaus dekorierten Fayencen und Porzellane aus Delft oder China, türkische Teppiche, mit rotem Samt überzogene Spieltische, eiserne Öfen und Kachelöfen die Zimmer. Eine einzige Pracht!

Von den oberen Räumen des Schlosses wie auch vom Burgwall soll man einen fantastischen Blick über das baumlose Land und die Marsch bis zu den weißen Dünen von Norderney gehabt haben, berichten Augenzeugen von damals. In Tagebuchaufzeichnungen von 1728 wird daher auch von „Byram am See“ gesprochen. Auch Christine Charlotte konnte von ihrer Bel Étage im dritten, obersten Geschoss des Schlosses wohl einen herrlichen Blick auf die Umgebung genießen.

Den Ausbau des Barockgartens hat sie nicht mehr erleben dürfen. Den ließen ihr Enkel Fürst Georg Albrecht und seine erste Frau Christine Louise 1712 vom fürstlichen Gartenbaumeister Christoph Schöthing anlegen. Laut einem Reisebericht aus der damaligen Zeit sollen sich in dem Garten „zwölf schöne Statuen, von denen acht aus Blei gegossen, die übrigen aus Sandstein gefertigt sind“, befunden haben. Das Baujahr der Anlage ist auf den Pfeilern des Gartentors vermerkt wie auch die Beschriftung „Sans Regret“ (ohne Reue). Der Garten war 130 mal 190 Meter groß. Nach den historischen Berichten war er im Norden von einer Mauer eingefasst und an den restlichen Seiten von einem Graben, „den wieder eine schöne Allee von Linden, Eiben und Erlenbäumen umgibt“.

Orangerie Sans RegretVom Garten selber in seiner barocken Pracht ist nichts mehr bis in die heutigen Tage erhalten geblieben. Die Orangerie des Barockgartens vom Schloss Berum ist jedoch noch im Original zu bewundern, ebenfalls die sie umgebene Mauer, die Gräben und Alleen, auch das Eingangstor mit seinen zwei wuchtigen Pfeilern. Sie ist die älteste noch erhaltene Orangerie in ganz Norddeutschland. Das Gebäude befindet sich heute im Privatbesitz der Familie Schelten-Peterssen und kann als exklusives Ferienhaus gebucht werden.Orangerie

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